Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

AfD, Opium für’s Volk?

Foto: Metropolico, via flickr | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wenn Teile der AfD behaupten, der Islam sei eine Ideologie, dann müssen wir fragen, ob die Alternative für Deutschland (AfD) eine neue Religion ist. Die politische Theologie und Heilslehre dieser Partei umfasst heute offensichtlich die Verbreitung des irrationalen Glaubens, dass die eigene Überhöhung durch den allmächtigen Nationalstaat und eine Dialektik gegen das Fremde zu sichern sei. In diese kleine Welt kann sich naturgemäß keine Weltreligion einfügen.

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Wie kam es dazu? Wir sollten nicht vergessen, dass die AfD ursprünglich eine geldkritische Bewegung war. Sie trat an, die tiefen Widersprüche des Finanzsystems zu hinterfragen. Im Kern ging es um den grenzenlosen und maßlosen globalen Kapitalfluss. Der Ansatz der Partei war – angesichts der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte – zunächst rational nachvollziehbar, auch wenn nie wirklich klar wurde, wie sie sich ein alternatives Wirtschaftssystem wirklich vorstellt. Den ursprünglich treibenden Kräfte der AfD, eine Gruppe elitärer Professoren, gelang allerdings nie eine echte Mobilisierung zu dem eigentlichen Problem unserer, von Ökonomie geprägten Zeit.

Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise erfolgte dann die Rolle Rückwärts. Im Vordergrund stand nun nicht mehr eine Alternative zum destruktiven Geldsystem oder die Kritik an den Banken, sondern die Position gegenüber Flüchtlingen und dem Islam. Jetzt gelang eine – wenn auch fragwürdige Mobilisierung –, allerdings nicht mehr gegen die Strukturen des Finanzsystems, sondern in dem Betreiben des Gegensatzes der angeblich zu kurz gekommenen Einheimischen gegen die Flüchtlinge. Im Osten der Republik soll sich die AfD ja bereits um die 20 Prozent bewegen.

Im Kern der Partei haben nun Nationalisten das Ruder übernommen, die einen starken Staat als Lösung globaler Probleme propagieren. Philosophisch agiert die Bewegung damit im Niemandsland. Sie kann weder eine Antwort auf das Phänomen der globalen Technik formulieren, die Nationalstaaten obsolet macht, noch wirklich positiv definieren, was ein Deutscher heute ist. Diese positive Identitätsfindung, die jede Zeit neu verlangt, wird nun verdrängt durch das Schüren von Ängsten und dem angeblich notwendigen Zusammenhalt gegen neue innere Feinde.

Darin ähnelt sie der Pegida-Bewegung und ihrer Ignoranz gegenüber den Dichtern und Denkern dieses Landes – von Goethe bis Nietzsche –, die sich vor einem deutschen Provinzialismus zeitlebens fürchteten. Hinzukommt, dass die Partei stark von einer Generation geprägt ist, die eher hilflos zuschaut, wie sich die eigenen Kinder in einer virtuellen Weltkultur wiederfinden. Hier liegt gleichzeitig auch ein wenig Trost, eine Jugendbewegung ist die AfD ganz sicher nicht.

Wie alle konservativen Strömungen unterhält die Partei keinen wirklich anspruchsvollen Kontakt zu Muslimen. Stattdessen beherrscht die Führung eine krude, selbstverfasste Vorstellung, was der Islam angeblich sei. Aus einer Dialektik gegen eine verschwindende Minderheit innerhalb der Muslime – den Hundertschaften der Ideologen und Extremisten – bastelte die Parteiführung flugs einen Generalverdacht gegen beinahe fünf Millionen Muslime im Lande. Dessen gesellschaftliche Folgen sind unabsehbar.

Die Anhängerschaft mag noch ganz ergriffen sein von simplen Freund-Feind-Bestimmungen und der Hoffnung, eine starke Führung werde eines Tages die Probleme des Landes lösen. Hier wird es aber auch schnell trostlos. Ohne gleich die schlimmsten geschichtlichen Assoziationen bemühen zu müssen, sind Sorgen berechtigt, wonach ein leerer Nationalismus im Zusammenspiel mit einer drohenden wirtschaftlichen Katastrophe und der diffusen Sehnsucht nach neuer Führung durchaus wieder ins Unheil führen könnte.

Es ist klar, warum die AfD den direkten Austausch mit der muslimischen Intelligenz meiden muss. Die Widersprüche wären schmerzhaft. Wir Muslime in Deutschland sollten davon unbeeindruckt weiter unsere geistigen Kräfte sammeln und unsere Beiträge definieren. Themen für derartige Vorstöße gegen die antiquierte Weltanschauung der AfD gibt es ausreichend: der Gedanke zum Beispiel, dass die europäische Philosophie die Suche nach der Einheit ist, die zeitlose Tiefe unserer wichtigsten Riten, oder unsere Tradition des Wirtschaftens und den sich daraus ergebenden Bezug zur Gerechtigkeit.