Sehr geehrter Herr Herzinger,
in Ihrem Artikel in der Zeit vom 6.05.2004 heißt es über mich bzw. die Islamische Zeitung:
„Weit auf diesem Weg vorangekommen ist der Rechtsanwalt Abu Bakr Rieger, der die in Berlin erscheinende Islamische Zeitung herausgibt. In dieser Monatszeitung sind allerdings in letzter Zeit auch bemerkenswerte Zeichen der Mäßigung zu beobachten. So stellte Rieger in einem Kommentar unlängst die Frage, ob sich die Muslime tatsächlich überzeugend genug vom Terror distanzierten, ob sie deswegen nicht doch einmal auf die Straße gehen sollten. Allerdings nennt Rieger den Terror durchgängig „nihilistischen Terror“ – und drückt damit aus, dass dieser eben doch nichts mit dem Islam zu tun habe.“
Sie suggerieren damit der Leserschaft als wäre eine neue Mäßigung gegenüber dem Terrorismus und gerade mal „in letzter Zeit“ in der Zeitung zu finden. Das ist natürlich nichts anderes als eine subtile Diffamierung meiner Person (und der Zeitung die ich herausgebe) im Sinne, als habe die IZ erst seit dem 11.09. sich etwa (sozusagen nachträglich) von Terrorismus oder Selbstmordattentate distanziert. Es ist gemeinhin bekannt, dass die IZ sich seit Gründung 1995 immer gegen Selbstmordattentate und Terrorismus gewendet hat. Es bestand daher diesbezüglich überhaupt kein Grund einer Mäßigung.
Zum Zweiten versuchen Sie den Eindruck zu erwecken als habe ich argumentiert, der Terrorismus habe nichts mit dem Islam zutun. Auch das ist grob falsch. Schon auf unserer Internetseite würde sich nach einer minimalen Recherche leicht das Gegenteil ergeben.
Schon am 7.11. 2001 veröffentlicht die IZ das Konzept gegen Terrorismus, aus dem sich eindeutig die Ablehnung des Terrorismus und jeder Verschwörungstheorie ergibt. Weiterhin findet sich am 28.09. 2001 unter der Rubrik „Kultur“ ein eindeutiges Interview mit mir mit dem Titel „Bin Ladin hat mit der Sunnah nichts zu tun“. Auch aus dutzenden weiteren Artikeln ergibt sich, dass wir gerade nicht behaupten der Islam, konkret der Wahabismus, habe nichts mit dem Terrorismus zu tun.
Ich verschiedenen Artikel haben wir auch den absolut unkritischen Umgang der deutschen Regierung und des deutschen Verfassungschutzes mit dem saudi-arabischen, also islamischen Regime kritisiert.
Ebenfalls auf unserer Internetseite findet sich in der Rubrik Wirtschaft mein Beitrag „islamisches“ Märtyrer-Verständnis vom 13.12.2002, der islamische Gelehrte gerade wegen ihrer Rechtfertigung von Selbstmordattentaten offen rügt und in Frage stellt.
Darüberhinaus habe ich auf dutzenden Veranstaltungen diese Position immer wieder öffentlich vertreten und darf bei aller Bescheidenheit anmerken, dass ich diesbezüglich (auch was die Gefahr eines solchen innerislamischen Standpunktes angeht) auch von Ihnen keine Nachhilfe benötige.
Im dem genannten Kommentar benenne ich den Terrorismus als „nihilistisch“, weil er seiner Art nach „modern“ ist, niemals eine rechtliche Gründung im Islam hat oder hatte und augenscheinlich in den Nihilismus führt.
Ich überlasse Ihnen zu prüfen, ob eine islamische Publikation oder Institution sich so eindeutig und klar vom Terrorismus und Selbstmordattentaten abgrenzt. Die willkürliche Zusammenmischung der in dem Artikel dargestellten intellektuellen Ansätze und Personen mag Ihre Absicht befördern, ist für mich aber ein weiteres Indiz Ihrer mangelnden Ernsthaftigkeit und bestärkt mich in der These, dass die bürgerliche Gesellschaft mit dem Schlagwort „Islamismus“ und „Islamisten“ Ihren neuen, politisch korrekten Verfolgungsbegriff geschaffen hat.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie oberflächlich es in diesem Lande zu geht, wenn es um derart schwerwiegende Dinge und subtile Unterstellungen geht. Mit freundlichen Grüßen
Abu Bakr Rieger Rechtsanwalt