Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Das Problem der „Islamkritik(er)“ (I)

Jede dialektische Lebenshaltung, die von der Ausrichtung gegen einen Feind lebt, hat auch ihre eigenen Schattenseiten und Abgründe. Oft genug kann man bei einer dialektischen Haltung studieren, dass die absolute Ausrichtung auf ein Feindbild die Gefahr birgt, dass unbemerkt jene Eigenschaften oder Methoden, die den Feind auszeichnen sollen, doch unbemerkt in die eigene Lebenshaltung mit einfließen. Wer allzu sorglos und überall „Faschisten“ oder „Islamisten“ markiert, läuft Gefahr, selbst, wenn nicht „faschistoid“, so doch wenigstens ein wenig paranoid zu werden.

Aber es lauern auch allzu menschliche, einfache Gefahren. Man kann sich beispielsweise täuschen und den Falschen zum Feind erheben, radikalere Entwürfe können den eigenen Beitrag übernehmen oder man kann mit seiner Position von anderen Gruppen benutzt oder gar „feindlich“ übernommen werden. Letzte Gewissheit über die Qualität oder Absicht des Gegners kann nur derjenige haben, der ihm wirklich begegnet ist.

Ironischerweise – das Leben ist gerecht – bildet sich im Moment eine Schnittmenge „Islamkritiker“, die ähnliche dogmatische Grobheiten aufweist, wie die Kategorisierung von unterschiedlichsten Muslimen in die Gruppe der „Islamisten“.

Islamisten sind ja bekannterweise Mörder, Verbrecher, Ideologen, Fanatiker, aber eben auch orthodoxe Muslime, harmlose Funktionäre oder die Handvoll unbekannte Muslime, die auf dem Heimweg von der Moschee aus dem Gewerbegebiet an uns vorbeilaufen.

Bisher war es das Privileg der Islamkritiker mit „Zugang zum Machthaber“ (u.a. den Medien), ihre Definitionshoheit auszuspielen und den erklärten Feind, beispielsweise durch die Einteilung in die Schnittmenge der Islamisten, mit dem „Bösen“ zu assoziieren.

Das Spiel hat nun aber auch eine andere überraschende Seite.

Die „Islamkritiker“, so stellen wir zunehmend fest, sind eben auch Rechtsradikale, Kemalisten, Evangelikale, Hilfsverfassungsschützer und – natürlich auch – Journalisten oder einfach nur besorgte Bürger. Genauso, wie jeder Muslim seine Position zur inneren Schnittmenge der gewalttätigen Islamisten, den Terroristen, klären muss, wird es jetzt genauso nötig für jeden Islamkritiker, der Verantwortung trägt, sich zum Mob, der die Kritik ja zunehmend umgibt, zu positionieren. Leider, liebe Islamkritiker, wird es also angesichts der Schnittmenge, der Sie, ungewollt oder nicht, angehören, auch nötig werden, sich zur Gewaltfrage genauso eindeutig zu äußern, wie Sie es von uns Muslimen verlangen.

Seit Jahren stehen die Macher der Islamischen Zeitung in der Öffentlichkeit und – wie praktisch jeder andere „öffentliche“ Muslim – müssen wir in den vergangenen zwei Jahren ein starkes Anwachsen von Hassmails radikaler Islamkritiker zur Kenntnis nehmen. Das ist kein Grund zum Jammern, wohl aber berechtigt es zur Frage an die prominente, hoffentlich gewaltfreie Islamkritik, wie sie sich künftig zu ihrem militanten Flügel positionieren will – gleichgültig, wohlwollend, ablehnend?

Das aktuelle Buch von Patrick Bahners, „die Panikmacher“, beendet zudem die bequeme Phase der Schonung ideologisch motivierter Islamkritiker, die sich lange einer öffentlichen Einordnung in ihr originär-geistiges Umfeld zu entziehen wussten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, der Bahners ja angehört, sorgt schon länger mit einer ausgewogenen Berichterstattung für die Einhaltung von Mindeststandards, die jede öffentliche Debatte beachten sollte.

So wie der Muslim bekennen muss, welche geistige Grundlage er für seine Lebenshaltung heranzieht, muss eben auch der Profi-Islamkritiker zugeben, was ihn zu seiner Haltung inspiriert und sei es eben auch die Bewunderung für nationales Gedankengut, der Kemalismus oder fundamentalistische oder evangelikale Quellen.

Ich persönlich schätze insoweit Gegner, von Broder bis Kelek, die immerhin mit offenem Visier antreten und Ab- und Zustimmung auch mit persönlichen Erfahrungen mischen. Natürlich geht es in den Keller, wenn Broder das IZ-Umfeld ( Frauen, Männer, Kinder ab 7 Jahre) flugs als „Islamfaschisten“ bezeichnet, aber, andererseits, sportlich betrachtet, trägt er zumindest hin und wieder auch mit einigem Sprachwitz zur Unterhaltung bei, so beispielsweise durch seine durchaus treffende Kritik an Erdogans Besuch in Deutschland in der WELT.

Ansonsten frage ich mich natürlich, warum Broder, die Islamkritik überhaupt, insbesondere der dort angesiedelte private Verfassungsschutz, so wenig zur Erosion der Verfassung durch die aktuelle Finanzkrise zu sagen hat. Ist diese Blindheit nur ein Zufall? Die Kritik am Islam lenkt so natürlich von den augenscheinlichen Implikationen der Jahrhundert-Finanzkrise für unser demokratisches Gemeinwesen ab. Egal ob man Jude, Christ, Muslim oder Nihilist ist, die Frage, ob man zu dieser Krise (und den Massenvernichtungswaffen unser Wirtschaftsordnung) eine positive Alternative benennen kann, macht – zumindest für mich – die Relevanz einer Position heute überhaupt aus.

Apropos offenes Visier – es wäre schön, wenn einer der „Heckenschützen“ und „Fußnotensammler“ gegen die Islamische Zeitung, der so verehrte, wie mir leider völlig unbekannte Herr Dr. Johannes Kandel, einmal den Mut hätte, öffentlich zu erklären, ob er denn, wie hier und da anklingt (zuletzt auf einigen Seiten in „Panikmacher“), zu den „Evangelikalen“ gehört und wenn ja, zu welchem genau der zahlreichen evangelikalen Flügel.

Nach dieser Klärung könnte man das publizierte, Kandelsche Freund-Feind Denken (Carl Schmitt wäre begeistert) noch besser einordnen. Aber bitte vorsichtig sein, lieber Herr Kandel, denn, ich spreche ja aus Erfahrung, dann könnte die eine oder andere fragwürdige Assoziationskette, die sie ja so meisterhaft ins Spiel bringen, auch ihnen selbst drohen (Beispiel: „er verehrt Luther und Luther war Antisemit“). Aber wie gesagt, Herr Dr. Kandel, auch mal persönliche Erfahrungen sammeln, und gerne bei einem Kaffee!

Spannend wird in den nächsten Monaten sein, ob staatliche und private Verfassungsschützer einsehen werden, dass uns alle, die wir gerne öffentlich und unter Wahrung der Mindeststandards des Anstandes weiter diskutieren wollen, gelegen sein muss, die „typisch deutsche“, weil versöhnungsfeindliche Debatte um den Islam ein wenig zu de-eskalieren. Die Kritik am Islam nimmt sonst leider einen verbreiteten Ton an, dessen nächste Steigerung nur noch Militanz sein kann.