Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Der Freitag und Agamben

Im Feuilleton „Denken ist kein Hype“ ein interessanter Kommentar von Carl Hegemann:

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben hat am Pfingstmontag an der Volksbühne sein neues Buch „Profanierungen“ vorgestellt, in dem er Resultate der abendländischen Geistesgeschichte mit den Phänomenen der gegenwärtigen „Phase des äußersten Kapitalismus“ in Verbindung bringt. Walter Benjamins These, dass der Kapitalismus eine Religion sei, die anders als frühere Religionen „nicht die Erlösung, sondern die Schuld, nicht die Hoffnung, sondern die Verzweiflung beabsichtigt“ und nicht auf die Verwandlung der Welt sondern auf deren Zerstörung ziele, ist ein zentraler Anknüpfungspunkt. Gegen die Abspaltung der Menschen von sich selbst und die zunehmende Unbrauchbarkeit ihrer Produkte, gegen den Zerfall des Gebrauchswerts, an dessen Stelle ein bloßer „Ausstellungswert“ trete, der die Welt in ein Museum oder Theater verwandelt, entwickelt er ein Konzept der Entheiligung oder Schändung, um die Dinge wieder einem möglichen Gebrauch zuzuführen, sie aus ihrer Abgetrenntheit in der heiligen Sphäre des Marktes zurückzuholen. Agambens akribische und unbefangene Analysen fern jeder Mode sind der seltene Versuch, die Ausweglosigkeiten gegenwärtiger Lebensformen als zu überwindende zu denken, ohne in den Sackgassen des alten Antikapitalismus zu landen.

Der Comic-, Pop- und „Star Wars“-Spezialist der Berliner Zeitung, Jens Balzer, reduziert Agamben in seiner Rezension (Berliner Zeitung v. 18.5.2005) auf das, was er schon von früher kennt: auf Freud und den „älteren Poststrukuralismus“. Das erspart die Beschäftigung mit ihm. Das spart Zeit und Zeit ist Geld. Übrig bleiben ein paar Allgemeinplätze. Nichts Neues unter der Sonne. Das eingedampfte Konstrukt assoziiert er dann staunenswerterweise mit dem Wort „Trendkatholizismus“. Weil schon der Titel des Buches „Profanierungen“ in die entgegengesetzte Richtung weist, muss er ihn leider verschweigen. Man fragt sich, warum er diesen Popanz aufbaut. Was wirft er Agamben vor? Dass er überhaupt ein Philosoph ist, der sich mit Philosophen und mit der Gesellschaft auseinandersetzt? Agambens Arbeit ist soweit von „Neokonservatismus“ und „lähmender Behaglichkeitsglasur“ entfernt wie Jens Balzer in diesem missglückten Schnellschuss vom Denken mit dem Kopf. Nichts gegen Comics und auch nichts gegen George Lucas. Aber warum bleibt er nicht dabei? Walter Benjamins frühe Bemerkung über das planetarische Kleinbürgertum hilft hier vielleicht weiter: „Es gibt für die Menschen, wie sie heute sind, nur eine radikale Neuigkeit – und das ist immer die gleiche: Der Tod.“

Carl Hegemann ist Theater-Spezialist und Dramaturg an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.