Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Der rechte Weg und die Rechten

Kontrastprogramm in Leverkusen. Während die Innenstadt wegen einer Demo von einigen dumpfen Rechten abgesperrt ist, treffen wir uns zur Nacht der Nächte mit den albanischen Muslimen der Stadt. Unsere geistige Haltung ist dabei genau das Gegenteil: Miteinandersein statt Rassismus. Hier meine kurze Ansprache:

As-salamu ´alaikum wa rahmatullah

Zunächst möchte ich mich bedanken, dass Ihr als Dschamaat mir erlaubt, ein paar Worte an Euch zu richten. Das ist eine besondere Ehre, zeigt doch diese Gemeinschaft durch ihr aktuelles Moscheebauprojekt ihren starken Zusammenhalt und den Willen, Allah zu dienen. Möge Allah Euch die Vollendung der Moschee leicht machen und die Moschee zu einem Ort der offenen Tür, der Gastfreundschaft und Einladung werden lassen. Amin.

Wenn wir uns hier, in dieser gesegneten Nacht des Ramadan, begegnen, dann erfüllen wir eine der fünf Säulen des Islam, mit der uns Allah gebietet, zu fasten. Es sind diese fünf Säulen des Islam, die uns Menschen – jenseits unser kulturellen Identität,und unabhängig davon ob wir Türken, Araber, Albaner oder Deutsche sind – zusammenführt. Das Fasten zeigt auch, dass wir Muslime in vielen wichtigen Dingen der Glaubensausübung uns im Großen und Ganzen einig sind. So erfahren wir eine wunderbare Einheit in den Tagen des Ramadan, geöffnet für das göttliche Mitgefühl und für die Attribute Allahs Ar-Razzaq, Der Fürsorgliche, und Al-Wahab, Der Freigiebige.

Allah sagt im Qur’an:

Der Monat Ramadan ist es, in dem der Qur’an als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist und als klarer Beweis der Rechtleitung und der Unterscheidung. Wer also von euch in dem Monat zugegen ist, der soll in ihm fasten. Und wer krank ist oder sich auf einer Reise befindet, soll eine Anzahl anderer Tage (fasten) – Allah will es euch leicht, Er will es euch nicht schwer machen – damit ihr die Frist vollendet und Allah rühmt, dass Er euch geleitet hat. Vielleicht werdet ihr dankbar sein. (Al-Baqara, 185)

Der Prophet Muhammad, Friede sei mit ihm, sagte über die letzten Tage des Ramadan:

„In dieser Zeit stehen die Pforten des Paradieses offen, die Pforte der Hölle sind verschlossen und die rebellischen Schaitane liegen in Ketten. In dieser Zeit hat Allah eine Nacht, die besser ist als tausend Monate. Wer des Segens dieser Nacht beraubt ist, der erleidet tatsächlich einen Mangel.“

In seinem Buch „Der Weg Muhammads“ verweist Schaikh Dr. Abdalqadir As-Sufi auf den Zusammenhang von Fasten und dem Zakat. Beides sind wichtige Übungen „sich von den Dingen und der Welt zu trennen.“ Zum Fasten sagt Schaikh Abdalqadir weiter:

„Die Menschen sind ihrem Besitz verhaftet, und diese Erfahrung ist nichts weiter als die Ausweitung ihrer Abhängigkeit von der Welt als Nahrung. Rumi, möge Allah Wohlgefallen an ihm finden, sagte: „die ganze Welt ist die Brust“. Das ist die Bedeutung von Ramadan und Zakat.“

Ramadan und Zakat haben eine große soziale Bedeutung für das Zusammenleben der Muslime. Es ist gerade der Ramadan, wo wir Muslime auf besondere Weise die Segnungen und die Notwendigkeit dieses Miteinanderseins erfahren. Schaikh Ibn Adschiba sagt über diesen notwendigen Zusammenhalt der Gemeinschaft:

„Wer von den Brüdern abgesondert und mit sich selbst beschäftigt, von ihm kommt nichts. Die Muminun sind wie Schafe: Wenn eines von ihnen vom Rest der Herde getrennt ist, wird es zum Ziel der Wölfe. Allah der Erhabene hat uns aufgefordert, zusammen zu kommen, indem Er sagt: „Kommt zusammen für die rechten Handlungen und Taqwa. Kommt nicht zusammen für die falschen Handlungen und Übertretungen.“

Als muslimische Gemeinschaft stehen wir vor großen Herausforderungen. Vor allem unsere ‚Ulama sind heute auf besondere Weise gefordert. Es gilt zu zeigen, was der Islam ist – aber auch zu zeigen, was der Islam nicht ist. Gemeinsam müssen sie uns vor Extremen schützen, vor der Beliebigkeit der Esoterik und vor dem Heißsporn des Fanatismus. Der Prophet Muhammad, Friede sei mit ihm, ist hierbei unser bestes Beispiel. Er hat den Islam vorgelebt und weder ein kaltes System, noch eine unbarmherzige Ideologie etabliert.

Es sind unsere Gelehrten, die aufzeigen müssen, dass es so etwas wie einen „Islamischen Terrorismus“ nicht geben kann. Es mag muslimische Terroristen geben, aber keinen islamischen Terrorismus. Wir, die Muslime, die hier in Europa in Gemeinschaft leben, laden unsere Nachbarn in unsere Moscheen ein. Wir tun das Gegenteil von Terroristen. Es ist wichtiger denn je, dass unsere Moscheen Orte der Wissensvernmittlung werden, weite und offene Türen haben und dass wir täglich im Austausch sind mit unserem Umfeld. Die vielen Fragen, die an uns gestellt werden, können auch helfen, dass wir unser Wissen erweitern, reinigen und auch erkennen, was Islam ist und was eben nur überkommene Kultur ist. Islam und Kultur ist nicht dasselbe. Islam bringt Kulturen hervor, filtert kulturelle Errungenschaften, ist aber selbst keine Kultur.

Wir müssen daran erinnern, dass das Wissen über den Islam drei gewaltige Dimensionen umfasst, die wir gemeinsam vermitteln müssen:

Islam – die Bindungen und Verpflichtungen unserer Lebenspraxis. Iman – unsere verbindlichen Glaubeninshalte. Ihsan – unser Verhalten, als würden wir jeden Moment von Allah beobachtet.

Es ist vor allem der gute Adab, den wir an unsere jungen Muslime weitergeben müssen. Adab kann man nicht an Universitäten oder aus Büchern lernen. Adab erlernt man nicht als kluger puritanischer Einzelgänger – Adab lernt man nur in Gemeinschaft. Islam, dessen Prophet kam, um den guten Charakter zu vervollkommen, schult den dazu notwendigen Charakter. Diese innere Erfahrungswelt, die ich nun kurz ansprechen will, gehört ebenfalls zum gemeinsamen Gut aller Menschen, wie das Leben und der Tod. Diese innere Welt und der daraus folgende Adab der Muslime, unser Verhalten, als würden wir jederzeit von Allah beobachtet, scheint in dieser Zeit großer äußerer negativer Ereignisse nicht ausreichend Beachtung zu finden. Auch wenn wir durch den terroristischen Wahnsinn gestört, abgelenkt und irritiert sind, gehört diese innere Dimension, überhaupt das korrekte Verhalten, zum Islam. Es gehört zu den Muslimen, wo immer der Islam wirklich gelehrt wird, wo immer Muslime wirklich zusammenleben. Haqiqat und Shari’at – die innere und äußere Dimension der menschlichen Existenz – sind insoweit ganzheitlich und gehören zusammen.

Schaikh Kamil sagt: „Wenn ein Schaikh auf einem fliegenden Teppich zu dir fliegt und dir sagt ‚verlass die Shari’at‘, dann verlasse ihn“. Auf dieser Grundlage nur kann man überhaupt über den Tassawuf sprechen.

Imam Jahja Ibn Sharaf An-Nawawi (gest. 676 n. H.), möge Allah sich ihm gnädig erweisen, definiert in seinem Buch “Die sieben Ziele“ den Weg und den Adab der Muslime:

1. Taqwa vor Allah, im Offenen und im Verborgenen, zu haben. 1. Der Sunna in Worten und in Taten zu folgen. 2. Die Abwendung von der Schöpfung im Aufstieg und Fall des Glücks. 3. Freude mit Allah, in der Fülle wie im Geringen. 4. Die Rückkehr zu Allah in Zeiten des Glücks wie der Beschwerlichkeit.

Die Verwirklichung der Taqwa erfolgt durch Gewissenhaftigkeit und den Geraden Weg. Die Verwirklichung der Sunna erfolgt durch Umsichtigkeit und guten Charakter. Die Verwirklichung in der Abwendung liegt in Geduld und Vertrauen. Die Verwirklichung der Freude mit Allah gelingt durch Zufriedenheit und Vertrautheit. Die Rückkehr zu Allah ta’ala liegt im Dank an Ihn in guten Zeiten und in der Zuflucht zu Ihm in der Beschwerlichkeit.“

Der Imam Ar-Rifa’i, Muhammad Baha’addin Ar-Rawwas (gest. in Bagdad 1287), sagte in seinem Werk „Der reine Ratschlag“:

„Der Weg, über den die Leute viel reden, besteht nicht, wie die meisten Irrenden behaupten, aus irdenen Perlen oder steinernem Gold. Er besteht vielmehr aus dem Ausgießen des Charakters des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, in dem Selbst, der Familie, Kindern, den Nachbarn, Freunden, Verwandten und Entfernten, um des Angesichts Allahs willen. Ebenso besteht er in der Erhöhung von Allahs Worten in Seinem Königreich. Derjenige, der dies tut, erwartet keinen Ruhm und keine Rückzahlung von irgendjemandem, noch erwartet er Dank.“

Allah ta’ala sagt im Qur’an: „Es wurde ihnen befohlen, ausschließlich Allah zu dienen, Seinen Din aufrichtig zu machen; das Gebet einzurichten und die Zakat zu bezahlen – das ist der Din der Wahrhaftigen (oder Aufrichtigen).“ (Al-Bayyina, 5)

Möge Allah uns zu Dienenden machen, die Gebet und Zakat etablieren. Möge Allah uns in guter Gemeinschaft halten. Möge Allah uns den geraden Weg zeigen. Möge Allah uns allen ein gutes Schicksal geben.