Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Die Einheit, die ich meine

Die Einheit der Muslime in Deutschland – wer will sie nicht erreichen. Eine auffallend knappe Erklärung der Plattform „Einheit der Muslime“ spricht ebenfalls von der Einheit, die man nun am „Ende des Jahres“ erreichen will. Es lohnt sich übrigens, genauer hinzuschauen, denn genau genommen ist weniger die Einheit der Muslime, als die Einheit der Verbände gemeint. Der neuen Plattform geht es weniger um die inhaltlich orientierte Zusammenführung muslimischer Energien, sondern vielmehr um die Zementierung und Repräsentanz der alten Verbände. Mit anderen Worten, auch wenn die mit viel Pathos verwendeten Begrifflichkeiten hier blenden können, es geht hier nur um eine äußere strukturelle Einheit, während im „Innern“ die Verbände unverändert fortbestehen sollen. Schein statt Sein. Hülle statt Fülle.

Paradoxerweise sind diese Verbände nach wie vor faktisch nach nationalen Kategorien aufgestellt, also einem Prinzip, das dem Islam und der Einheit der Muslime absolut entgegensteht! Wenn man also von der Einheit des Islam in Deutschland spricht, stellt sich die Frage, ob der Islam in Deutschland nur aus Verbänden oder eben auch aus Stiftungen, Schulen und unabhängigen Einrichtungen besteht und wie diese Institutionen in eine einheitliche Struktur gleichberechtigt eingebunden werden können. In einer Zeit, wo der Islam als fremd und unzugänglich erscheint, macht auch die aktive Einbindung deutscher Muslime einigen Sinn.

Vor allem die Stiftungen wurden bisher von den Verbänden (gerade in Zeiten, als die Mittel hierfür durchaus da waren, aber leider außer Landes geschaffen worden sind) nur spärlich unterstützt, geschweige denn gegründet. Die Frage stellt sich, warum haben die Stiftungen doch über Jahrhunderte und an jedem Ort der islamischen Zivilgesellschaft gedient und somit die Einheit der Muslime gefördert. Die Antwort ist einfach: Die Stiftungen, als eigenständige Institutionen, entziehen sich auf Dauer machtbewusster Verbandspolitik und politischen Querelen gleichermaßen und schaffen die Einheit der Muslime vor Ort, über nationale und politische Grenzen hinweg. Echter Einheit muss man dienen, Macht will man nicht für sich selbst, wohl aber für andere.

Zweifellos ist es schlussendlich die Zakat, die die eigentliche Einheit der Muslime im Kern repräsentiert. Sie bleibt bei den Einheitsbestrebungen im Allgemeinen und beim politisch denkenden Islam im Besonderen zumeist merkwürdig unreflektiert. Wer also über die Einheit der Muslime spricht, oder gar öffentlich doziert, muss gerade bei dieser Frage der Zakat eine klare und nachvollziehbare Position haben. Wir streiten vor Gerichten über das Kopftuch, nicht aber mit gleicher Leidenschaft und juristischer Gelehrsamkeit zwischen uns über die Handhabung der Zakat. Nur so viel sei gesagt: Zakat hat jedenfalls nichts mit Volkszugehörigkeit oder Verbandszugehörigkeit zu tun. Zakat ist ein soziales Phänomen, das die Muslime vor Ort stärkt und verbindet. Die Zakat wird daher lokal erhoben, ihre Verwendung von den Muslimen vor Ort bestimmt und ist durch absolute Transparenz gekennzeichnet. Neben der durchaus gewünschten professionellen Vertretung der Muslime in Berlin, ist es die Zakat, die den Ort wahrer innerer Einheit schafft.

Schlussendlich ist die Einheit der Muslime nicht nur ein kaltes technisches oder juristisches Projekt (einschließlich der kühlen Berechnung der Abstimmungsverhältnisse). Es geht auch darum, die Begeisterungsfähigkeit der Muslime zu wecken, sie mitzunehmen und Wege aufzuzeigen, wie man gemeinsam stärker wird. Die Wahrheit ist, bisher unterstützen die Verbände kaum etwas, was über den eigenen Tellerrand hinausweist und nicht nur eigenen Interessen dient. Wie sollen so unsere jungen Muslime die Einheit erfahren? Bei der Frage der Einheit der Muslime, sie geht tiefer als die Frage nach der strukturellen Einheit der Verbände, geht es also nicht nur darum, dass der mitgliedsstärkste Verband den Weg diktiert, sondern darum, Zeichen zu setzen, wie Projekte und neue Inhalte, ein neuer Spirit die Muslime zusammenführen könnte. Die meisten Verbände verharren bisher im egozentrischen Immigrantenstatus. Das ist antiquiert. Das ist gestern. Nur mit kreativen neuen Ideen kann der Islam die Brücke schlagen hinaus aus den Hinterhöfen zu den Marktplätzen. Es stimmt, das schaffen wir Muslime nur gemeinsam.