Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Die Techniken der radikalen Islamkritik (II)

Die aktuelle – von den Konservativen angestoßenen Debatte –, ob denn der Islam aus historischer Sicht „Teil Deutschlands“ sei oder die deutsche Geistesgeschichte beeinflusst habe, könnte man getrost als akademische Debatte vernachlässigen, wenn nicht – für die ideologische Islamkritik und ihre Techniken der Agitation – genau diese Debatte nicht hochwillkommen wäre.

In Wirklichkeit hat die Frage, ob der Islam „Teil von Deutschland“ sei, natürlich nicht nur harmlose, rein akademische Interpretationsspielräume. Die Skandalisierung der normalen muslimischen Lebenspraxis ist eines der wichtigsten strategischen Ziele der radikalen Islamkritik.

Die Assoziation von strafrechtlich relevantem Fehlverhalten von „Immigranten“ (ob gläubig oder nicht, spielt dabei keine Rolle) mit dem Islam an sich, sichert die fortlaufende öffentliche Skandalisierung des Islams. Dem rechten Flügel der Islamkritik ist es inzwischen gelungen, die Debatte über die „Ausländerfeindlichkeit“ aus dem Diskurs zu nehmen.

Die Möglichkeit der Existenz von „deutschen Muslimen“ – mitsamt des wichtigen Aufweises, dass der Islam kulturell neutral sein kann – muss in dieser Sicht konsequent ausgeschlossen oder diffamiert („Terroristen“, „Überläufer“, „Verräter)“ werden. Ihrer Zielsetzung nach spalten sich diese Formen der organisierten oder nicht-organisierten „Islamkritik“ in verschiedene Gruppen auf.

Besonders gefährlich ist die „ideologisierende Islamkritik“, da sie wie alle anderen modernen Ideologien davon ausgeht, dass eine Welt ohne Feinde eine bessere Welt sei. In Anlehnung an Carl Schmitt sieht diese Gruppe in der Ablehnung gegenüber dem Islam und der Bestimmung der Muslime als Feind ihre eigentliche politische Daseinsberechtigung und Substanz.

Die diversen islamkritischen Gruppen existieren in verschiedenen Abstufungen der Radikalisierung:

Die radikalste Gruppe der Islamkritiker will ein „Deutschland ohne Muslime“ und ist – wie ihre zahlreichen Ankündigungen aufweisen – hierzu auch gewaltbereit.

Eine minderscharfe Gruppe will ein „Deutschland ohne Islam“; das heißt, entweder ein Deutschland, in dem Muslime (noch) privat existieren dürfen, aber nicht öffentlich praktizieren (Verbot von Moscheen, Einschränkungen der Bauweise, Politisierung des Baurechts) oder aber, man kann sich neben einer legalisierten Benachteiligung der Muslime zumindest ein Teilverbot des „öffentlichen“ Islams vorstellen.

Diese Gruppe nehmen die missverständlichen Aussagen des neuen Innenministers (der „Islam sei nicht Teil Deutschlands“) als eine willkommene Vorlage auf.

Unzulässig ist dabei der verbreitete Schluss, dass das Eintreten islamophober Gruppen gegen reale und angebliche muslimische „Verfassungsfeinde“ impliziert, dass es sich bei diesen Gruppen selbst um „verfassungstreue“ Gruppierungen handelt.

Immer wieder täuschen diese Gruppen mit Lippenbekenntnissen zur Verfassung – bis hin zur Behauptung, sogar die Verfassung zu schützen – über den objektiv verfassungsfeindlichen Inhalt ihrer eigenen Motivationen. Der Verfassungsschutz selbst gibt diesen Gruppen eindeutig mehr Raum als vergleichbaren „islamistischen“ Formationen und hält sich bei der Aufklärung der Bevölkerung über diese verfassungsfeindlichen Inhalte merklich zurück.

Alle islamkritischen Gruppen benutzen bestimmte Techniken, um die Muslime mit bestimmtem Fehlverhalten oder Verbrechen öffentlichkeitswirksam zu assoziieren. Ihr bevorzugtes Bild ist dabei die Idee einer sich steigernden religiösen Intensität, die in ihrer höchsten Form „islamistische oder terroristische Bezüge hat“. In dieser Logik ist der Muslim, mit dem man „sicher“ sein kann, nur derjenige, der fortlaufend klare Signale der kulturellen Unterordnung oder der Ablehnung eigener Glaubensinhalte sendet.

Der ideologischen Islamkritik geht es (mindestens) um die Verbannung von als „feindlich“ eingestuften Muslime aus dem Diskurs.

Hierbei sind insbesondere die Assoziationsketten hilfreich, die in Deutschland automatisch mit der sicheren sozialen Verbannung einhergehen (bevorzugter Vorwurf: „Faschist“ oder „Antisemit“). Die erwünschte Isolation sichern diverse Formen der Denunziation ab (Beispiel: Wer einer als „islamistisch“ diffamierten Zeitung ein Interview gibt, wird öffentlich als „Islamistenfreund“ denunziert und damit selbst in die Nähe von „Faschismus“ und „Antisemitismus“ gerückt).

Die Idee einer debattierenden und diskutierenden Gesellschaft, die ihre Feinde in Freunde umwandeln will, wird so systematisch als „naives Gutmenschentum“ verspottet.

Bereits heute flüchten viele „öffentliche Muslime“, die sich um ihren Ruf fürchten müssen, in die Anonymität des Internets oder in die Sicherheit des Schweigens. Die Islamische Zeitung versucht natürlich weiter, all diejenigen, die Spaß am niveauvollen, gerne auch islamkritischen Streit oder echte Sorge um das Gemeinwesen verbindet, eine Plattform zu bieten.