Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Granada

Granada. Gegenüber der neuen Moschee ist die Alhambra ein Wahrzeichen Europas geworden. „Außen abweisende Mauern, innen die Gärten“, so wird das Gebäude beschrieben und ist so für manchen ein Synonym für den Islam selbst geworden. In letzter Konsequenz muss man eintreten, um die Schönheit der ganzen Form zu erkennen.

Vom Garten der neuen Moschee bietet sich der schönste Blick auf das altehrwürdige Gebäude. Zwei Mal am Tag öffenen sich für die Besucher die Tore und hunderte Touristen strömen in den Garten, erkunden aufmerksam die Moscheeanlage und werfen einen Blick in den Innenraum der Moschee.

„Die Alhambra“, so hören wir von einem enttäuschten jungen Paar aus Kanada, „ist bis zum 9. Mai ausgebucht“. Ich tröste sie mit einer kleinen Anekdote: Mein Lehrer sagte mir einmal, „die Alhambra sei nur der Kuhdung einer vorüberziehenden Karawane“. Der Albaicin und seine verwinkelte Architektur, früher das sogenannte Armenviertel der Stadt, fasziniert heute Besucher aus aller Welt. Am Platz St. Nicolas, nur einige Meter neben der Moschee, treffen sich heute jugendliche Touristen aus aller Welt. Es wird getanzt, geraucht, einige trinken – wohl ohne großes Geschichtsbewusstsein – „Alhambra“-Bier aus kleinen Flaschen.

„Ach, sie sind Europäer und Muslime?“, diese Frage wird an die Muslime hier immer wieder gestellt. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich wieder sichtbar eine bunte islamische Gemeinschaft formiert. Hunderte EuropäerInnen sind hier Muslime geworden, die meisten durch die Hand von Schaikh Dr. Abdalqadir As-Sufi. Hier, in Granada, ist nun auf denkwürdige Weise traditionelles Wissen und europäische Gelehrsamkeit verortet.

Im Garten treffe ich Sidi Karim, der ein wandelndes Geschichtsbuch ist und mir mit großer Leidenschaft versucht, die zeitlose Bedeutung von Ibn Khaldun ans Herz zu legen. „Er sollte ein Buch schreiben“, mit diesem Gedanken versuche ich, die Begeisterung, die aus dem Mann strömt, etwas zu kanalisieren. „Du solltest Ibn Khaldun lesen“, kommt es schlagfertig zurück.

Nach dem Adhan zum Maghrib-Gebet ist es im Garten wieder ruhig. Nach dem Gebet wird Qur'an rezitiert und der Imam, Schaikh Muhammad Al-Kasbi, hält wie jeden Tag mit ruhiger Stimme einen kurzen Vortrag. Dieses gelebte Wissen ist der eigentliche Bezugspunkt des islamischen Lebens der Gemeinde. Egal, ob man ein marokkanischer Bauarbeiter oder ein italienischer Akademiker ist.

Am Freitag, zum Dschumu'a-Gebet, treffen sich hier nun Muslime aus Europa und Afrika und aus der ganzen Stadt zum Gebet. Das gemeinsame Essen danach gehört zum Sinnzusammenhang und ist wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens. „Was tun?“ – „Warum kommt Ali nicht mehr zur Moschee?“ – „Wie finanzieren wir das nächste Buchprojekt?“.

Das islamische Zentrum im Nebengebäude der Moschee ist längst zu einem wichtigen Begegnungsort zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen geworden. Dabei stehen Ausstellungen, Vorträge und Sprachkurse allen Bewohnern der Stadt offen. Am 7. und 8. Juli wird die Moschee wie jedes Jahr mit einem großen Fest alle Einwohner, aber auch Besucher aus aller Welt, einladen.

Ich erinnere mich, als vor einigen Jahren der Grundstein dieser Moschee gelegt worden ist. Auf einem staubigen, öden Platz wurde ein Bittgebet verrichtet. Es gab keine Baugenehmigung, kein Geld, keinen Plan. Es gab nur eine gute Absicht. Nun wachsen hier Rosen.