Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Hamburger Erklärung

„vertraglich integriertes Randdasein“
Rechtsterminus in Globalia, Jean Christoph Rufin

Die Hamburger Erklärung der Muslime ist die folgerichtige Konsequenz des starken öffentlichen Drucks auf den organisierten Islam in Deutschland. Die Zukunft, so zumindest die Absicht, gehört einem Islam, der in Deutschland angekommen ist. Eine gemeinsame Vertretung der Muslime in Berlin ist tatsächlich längst überfällig. Die Crux wird es nun sein, die unterschiedlichen Gruppierungen in eine gemeinsame Form zu gießen. Einheit ja, aber es braucht auch neue Inhalte. Die Verbände haben bisher nicht gerade zur Stärkung des islamischen Lebens beigetragen. Islam sollte auch für mehr stehen als nur für „Kopftuch und Religionsunterricht“, wer aber hat hier neue Ideen?

In Hamburg war Optimismus zu spüren, dass die Einheit nun endlich gelingen könnte. Wie bei jeder Geburtsstunde „demokratischer Vorgänge“ stellt sich indirekt die Frage nach dem Verhältnis von Macht und Recht. Wer bestimmt de facto die Regularien? Wer hat das letzte Wort: die Muslime? Die Verbände? Die Funktionäre? Bestimmt eine Urwahl die Verhältnisse oder setzen sich nur die alten Machtverhältnisse fort? Wie steht es um Zakat oder das Verhältnis zur Offenbarung?

Die Regularien, wie diese neue Einheit organisiert werden könnte, wurden nicht rein zufällig nur angedeutet. Einige erste Prinzipien wurden genannt. Zu begrüßen ist die angedachte Stärkung der Rolle lokaler Moscheen und ihrer Gemeinden. Noch überzeugender wäre dies allerdings, wenn die Moscheegemeinden gleichzeitig auch vor zentralistischer Bevormundung befreit würden.

Wichtig wird auch sein, dass die islamische Lehre nicht zu einer abhängigen Unterfunktion einer unsichtbaren politischen Hand wird. Die Lehre hat zu lange zu den verschiedensten Phänomene geschwiegen: Selbstmordattentate, die Ausgrenzung von Frauen aus den Moscheen, das kriminelle Wirken der Holdings, die ethnisch verfassten Strukturen. Viele Imame sind eingeschüchtert, fürchten um ihren Job oder sind schlecht ausgebildet. Die Abgrenzung zwischem dem Handeln der Muslime und der Lehre des Islam bleibt eine entscheidende Frage.

Es ist auch kein Zufall, dass die alten, machtbewussten Strukturen des Islam in Deutschland das Entstehen von unabhängigen Stiftungen, einer islamischen Zivilgesellschaft, bisher kaum befördert haben. Die Organisation der Muslime in Deutschland muß auch „dienenden“ Muslimen einen Platz geben, die ihr Wirken nicht politisch definieren und sich nicht in den Verbänden beheimatet sehen. Im Ergebnis ist zu gewährleisten, dass, bei aller Notwendigkeit der gesellschaftlichen Akzeptanz, auch verschiedenartiges islamisches Profil in den Institutionen des Islam erkennbar bleibt.

Zur Glaubwürdigkeit des Islam in Deutschland gehört auch eine angemessene und starke Beteiligung muslimischer Frauen und deutscher Muslime. Gerade die deutschen Muslime und Musliminnen können mithelfen, dass der Islam die Aura des Fremden in diesem Land endlich verliert. Bis jetzt haben die deutschen Muslime eher eine Alibifunktion. Die antiquierte Einteilung der Muslime nach ethnischen Kriterien sichtbar aufzulösen, gehört ebenso nachhaltig auf die Tagesordnung. Die Hamburger Erklärung eröffnet eine erste Etappe in die richtige Richtung.