Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Hat es mit uns zu tun?

Man würde sie am liebsten exkommunizieren. Wieder einmal wird die muslimische Gemeinschaft Zeuge, dass auch Muslime fähig sind, ein nihilistisches Inferno auszulösen. Ohne Gnade – dafür mit erschreckender Erbarmungslosigkeit – mordet eine kleine marodierende Gruppe und zieht ihre Blutspur durch eine europäische Hauptstadt: Paris. Den Angehörigen der zahlreichen Opfer gehört unsere tief empfundene Anteilnahme.

Natürlich wird jeder vernünftige Beobachter auch zugestehen, dass die überwältigende Mehrheit der europäischen Muslime nichts, aber auch gar nichts mit diesen Verbrechern verbindet. Man wird auch schon bald zahlreiche Distanzierungen und Deassoziierungen der muslimischen Welt vernehmen – Beiträge von hunderten Gelehrten, die den Terrorismus klar ablehnen, zitieren können. Unsere Repräsentanten werden in den Medien immer wieder ihren Unmut formulieren. Und doch hat dieses Verbrechen – leider – mit uns Muslimen zu tun.

Ob wir es wollen oder nicht: Die Formensprache und die Teilnahme am Ritus, die die Verbrecher wählen, assoziiert das Phänomen der islamischen Lebenspraxis in Europa auf fatale Weise mit Mord und Totschlag. In den Massenmedien vermischen sich die Wahrnehmungsebenen, es wird in der Moschee, aber auch am Tatort mit den gleich klingenden Worten angerufen.

Islamkritiker werden weiter daran arbeiten, dass die Schnittmengen noch unschärfer werden. Das wird so weit gehen, bis sich für eine Minderheit im Topf der Mörder gleichermaßen „Islamisten“ wie auch „Muslime“ befinden. Es wird warhscheinlich behauptet werden – in zynischer Verkennung ihrer Fluchtgründe –, dass junge Flüchtlinge potentielle Terroristen seien.

Wenn wir selbstsicher behaupten, dass wir nichts mit dem Terror zu tun haben, sollten wir ein Moment inne halten. Wir meinem damit, dass wir in keiner Weise Mord und Terror für legitim halten. Dass es keinen höheren Zweck geben kann, der das Verbot von Terrorismus und Selbstmordanschläge überwindet. Wenn aber die These halten soll, dass wir nichts mit dem Terror zu tun haben, müssen wir auch das geistige Umfeld des Terrorismus analysieren. Wir müssen sicher sein, dass die Aktionen der Terroristen in keiner Weise in ein Umfeld eingebettet sind, das ein, diesen Verbrechen dienliches Klima stiftet. Sind wir das?

Bereits vor Jahren hat diese Zeitung schon zielgerichtete Debatten geführt, die Selbstmordanschläge an jedem Ort der Welt ächten wollten. Immer wieder ist uns dabei ein muslimischer Typus ins Auge gefallen, der – gegen jedes Recht – diese Aktionen doch aus besonderen, politischen Umständen heraus verstehen wollte. Mit dieser Relativierung des Rechts, mit der Akzeptanz der Ziele einer „höheren“ Politik und der Einführung einer alles rechtfertigenden Moral – dem Recht der Verzweifelten – war aber genau die Saat gesät, die heute in einem ortungslosen Terrorismus global aufgeht.

Ziemlich unheimlich sind auch jetzt wieder muslimische Globalisten, die das Weltgeschehen wie in einem Videospiel betrachten. Jeden Schrecken mit einem anderen Schrecken rechtfertigen und sich auf diese Weise technisch neutralisiert zeigen und sich keinerlei Empathie mehr an dem Ort, an dem sie leben, leisten. Es ist diese Art der Heimatlosigkeit, der Unbeteiligtkeit, die erschreckt. Wir müssen zugeben, dass ein Teil dieser Muslime „geistig“ bereits in einer Art Weltbürgerkriegssituation leben. Was heißt das für uns?

Seien wir also weiter wachsam, wie wir die Bedeutungen dieser Welt lesen. Es wird insbesondere wichtig sein, gerade in Zeiten massiver Verfolgung, Krieg und Terror unserer Jugend positive, nicht hassgetränkte Erklärungsmodelle zu liefern. Vielleicht wäre es gut für diese Jugend zu sehen, dass ihre Väter und Mütter geschlossen und gemeinschaftlich gegen den Terror vorgehen. Wenn hunderttausende Muslime vor dem Brandenburger Tor erscheinen, könnte man sich sicherer fühlen.