Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

„Islam ist Islam“

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan lies sich nicht nehmen, vor der Teilnahme am Forum der Allianz der Zivilisationen in Madrid, die Moschee in Granada zu besuchen. Neben der Teilnahme am Abendgebet informierte er sich ausführlich über die Lage der Muslime in Spanien. In einem Gespräch mit dem Leiter der Gemeinschaft, Hajj Malik Ruiz, fragte er insbesondere nach der Zahl der spanischen Muslime im Land. Spanien gilt im Umgang mit den Muslimen als fair und auch Malik Ruiz äußerste sich zufrieden über die aktuelle Regierungspolitik.

Erdogan gehört zu den Politikern, die auch immer wieder einmal die herrschende Terminologie hinterfragen. Der Begriff „Islamischer“ Terrorismus ist für ihn beispielsweise nichts anderes als ein Paradox. Nun kritisierte Erdogan in Madrid auch die Bezeichnung „Islamist“, die von den Journalisten gebraucht wurde. Erdogan: „Das ist empörend. Man hat versucht diesen Begriff in die politische Literatur aufzunehmen. Ich denke, dass er auch nicht dahin passt. Bei uns gibt es nur Muslime, keine Islamisten. Wenn ein Muslim seine religiösen Verpflichtungen in bester Weise erfüllt, bezeichnet man ihn bei uns als „fromm“. Ob jemand seine Religion lebt oder nicht, ist nicht unser Problem. Nicht wir, sondern allein der Schöpfer wird Rechenschaft dafür verlangen.“

Erdogan hält auch wenig von einer Dialektik zwischen „Moderne“ und „Tradition“. Die Bezeichnung „fortschrittlicher Islam“ lehnte Erdogan ebenfalls ab: „Auch diese Bezeichnung ist falsch und empörend. Es ist nicht richtig solche Maßstäbe anzusetzen. In letzter Zeit wird auch die Bezeichnung „gemäßigter Islam“ verwendet. Dies ist genauso falsch, denn Islam ist Islam.“

Auf der Internetseite der Moschee

http://www.mezquitadegranada.com/noticias/visitaerdogan.html

findet sich übrigens (in Spanisch) folgende Beschreibung des Besuchs:

Der Ministerpräsident der Türkei besucht die Moschee in Granada Am Sonntag, den 13. Januar, gegen 17 Uhr, betraten Recep Tayyip Erdogan, der Ministerpräsident der Türkei, und seine Gattin, der Außenminister mit Gattin, der Staatsminister, der Wirtschafts- und Verkehrsminister gemeinsam mit einer über fünfzigköpfigen Delegation den Garten der Großen Moschee in Granada.

Dort wurden sie vom Präsidenten der Comunidad Islámica en España (Islamische Gemeinschaft in Spanien), Malik Ruiz, vom Direktor der Moschee, Abdulhasib Castiñeira, dem spanischen Übersetzer des Qur'an, Abdulghani Melara, dem Innenarchitekten der Moschee und Historiker, Karim Viudes, sowie von Vertretern der lokalen islamische Gemeinschaft empfangen. Tayyib Erdogan hatte sich persönlich um den Besuch und das Treffen mit dem Präsidenten der Comunidad Islámica bemüht. Auf der Aussichtsterrasse des Moscheegartens verweilten der Ministerpräsident und seine Delegation einen Augenblick, um den grandiosen Blick über die Stadt zu genießen, über das historische Albaicin-Viertel und die beeindruckende Sacramonte-Schlucht, sowie die grünen Gipfel, die die berühmte Alhambra an einem kalten aber hellen Tag umgaben. Sodann bat der Ministerpräsident darum, in der Moschee ein Gebet machen zu können.

Nach dem Gebet bat die Comunidad Islámica de Ministerpräsidenten und seine Begleiter zu einem Empfang in die Bibliothek ins angrenzende Zentrum der Islam-Studien. Aus Anlass des Besuches hatten muslimische Konditoreien Granadas Gebäck und Minztee vorbereitet. Während des Empfangs überreichte Tayib Erdogan dem Präsidenten der muslimischn Gemeinschaft eine Reproduktion eines überdimensionalen historischen Exemplars des Qur'an, dessen Original von Sultan Sulaiman dem Prächtigen im XVI. Jahrhundert in Auftag gegeben und von Ahmed Karahisari, einem der besten Kalligrafen des osmanischen Reichs, angefertigt wurde und sich heute im Topkapi-Palast in Istanbul befindet.

Malik Ruiz überreichte dem Ministepräsidenten seinerseits eine Radierung einer granadinischen Künstlerin, welche die Mihrab (Gebetsnische) der Großen Moschee von Granada zeigt – eine ähnliche Radierung hatte man im Februar 2006 schon José Luis Rodriguez Zapatero im Moncloa-Palast überreicht – sowie eine Reihe von Publikationen der Comunidad Islámica en España. Die Gattin des granadinischen Amirs überreichte der türkischen First Lady ein von Munira Mendonca in Leder gebundenes Buch, das aus der Werkstatt dieser bekannten Kunsthandwerkerin und Muslima Granadas stammt.

Während des Empfanges referierte der Präsidenten der Comunidad Islámica en España dem türkischen Ministerpräsidenten von der Lage der muslimischen Gemeinschaft in Spanien; besonderes Augenmerk galt dabei der Erziehung der Jugendlichen, der Integration der Immigranten und der Rolle, die den spanischstämmigen Muslimen darin zukomme. Tayyip Erdogan beglückwünschte Malik Ruiz zum Erfolg den die Große Moschee von Granada darstelle und dankte ihm für seine integrative und offene Arbeit, die er in Granada leiste und die den Islam in Europa auf solch würdige Art und Weise vertrete. Malik Ruiz vesicherte seinerseits dem türkischen Ministerpräsidenten die Bereitschaft der spanischen Muslime zur aktiven Zusammenarbeit in jeder materiellen, menschlichen und ideellen Hinsicht zugunsten der weiteren Annäherung und des gegenseitigen Verständnis zwischen Islam und Abendland, eine Initiative, die der türkische und der spanische Staatschef ins Leben gerufen und als „Bündnis der Kulturen“ [statt „Kampf der Kulturen“] bezeichnet hatten.

Der Empfang im Studienzentrum klang aus mit dem Gebetsruf vom Minarett der Moschee. Die türkische Delegation verrichtete ihr Maghreb-Gebet und nahm sodann an der Pforte der Moschee, auf dem Mirador de San Nicolás, dem angrenzenden berühmten Aussichts-Platz auf die Alhambra, ihren Abschied. Während man sich verabschiedete hatte sich an der Moscheepforte spontan eine kleine Ansammlung von Nachbarn und türkische Touristen eingefunden, um den türkischen Ministerpräsidenten zu grüßen und ein Foto mit ihm und seiner Gattin ergattern zu können.

Die spanischen Muslime sehen in Tayyip Erdogan einen ausgeglichenen und in vieler Hinsicht vorbildlichen muslimischen Staatsmann, dem es möglich ist den Wünschen des türkischen Volkes und den Muslimen überhaupt eine glaubwürdige Stimme zu geben, indem er die Prioritäten der Zeit und des europäischen Kontextes, zu dem sein Land gehört, erkennt. Seine Tätigkeit als erster Bürgermeister der 15-Millionen-Stadt Istanbul, sowie sein Amt als Regierungschef und Ministerpräsident der türkischen Republik haben ihm das verdiente Ansehen eines glaubwürdigen, effektiven und guten Anwalts verschafft, eine Eigenschaft, die einem Muslim gut ansteht, die in der politischen Klasse von heute jedoch alles andere als selbstverständlich ist.

Der Besuch Tayyip Erdogans ist daher von der lokalen Gemeinschaft der Muslime sehr positiv aufgenommen worden.