Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

„Kathedrale der Gegenwart“

„Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf“ Sokrates (um 470 – 399 v.Chr.), griech. Philosoph

Schöner Schein, schöne Emotionen, schöner Kommerz. Die Eröffnung der Münchener Allianz Arena ist Teil moderner Event-Kultur. Der mediale Höhepunkt: ein Freundschaftsspiel zwischen Bayern und Deutschland. Spätestens als das schlichte Showsternchen Sarah Connor die Nationalhymne anstimmt und den Text falsch singt, weiß man, dass auch der Nationalismus wieder ein gutes Stückchen überwunden ist.

Die Spieler kommen – Vorbild Rom – derweil aus dem Untergrund. Die Spiele sind eröffnet. Das neue Trikot der Bayern versucht an schöne alte Traditionen des Sports anzuknüpfen. Für 68 Euro wird mit dem 70er Jahre Look so etwas wie Kontinuität vorgegaukelt. Das Stadion ist aber längst nicht mehr die alte profane Sportstätte, sondern auch Shopping-Meile, Post und Bank. Im Stadion kauft sich der Fan als Kunde kurzfristigen Rausch und schließt langfristige Verträge ab.

Die Arena ist, wie der „Stern“ sagt, eine „Kathedrale der Gegenwart“ und wie jeder große Bau ein Kind seiner Zeit. Die etwa 900 Meter lange Esplanade ziwschen U-Bahn und Arena darf man sich als eine Art Pilgerweg vorstellen. Große Architektur verführt, man denke nur an „Speer und Er“,immer auch zu einer Innenansicht der Macht. Das Münchener Bauwerk erreicht dies durch eine gleichförmige Architektur, die jeden gleich gut sitzen und gleich gut sehen lässt. Selbst der Ministerpräsident sitzt in einem Standardschalensitz. Wer wirklich privilegiert sein will, muss sich hinter das Spiegelglas einer VIP-Lounge einkaufen.

„Erst die Fassade gibt dem Bau seine gewaltige Ganzheitlichkeit“ heißt es in der Baubeschreibung. Der Bau ist nicht einer Sportgröße, einem Politiker oder einem Dichter sondern einer juristischen Person, nämlich dem größten Finanzdienstleister der Republik gewidmet. Das Spiel findet also nicht nur auf dem Rasen statt, sondern auch in der Finanzbuchhaltung. Wenn das eigentliche Spiel gut geht, so hört man es von den Finanzjongleuren, könnte der Tempel nach 30 Jahren abbezahlt sein.