Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Machtvolle Dialektik

Der arabische Welt ist im Aufruhr und die Krise in Ägypten lassen tiefe Widersprüche in der westlichen Welt erahnen. Dabei geht es nicht nur um die Verbreitung westlicher Demokratievorstellungen, sondern immer auch um den schwelenden Jahrhundertkonflikt „Arm gegen Reich“. Reich bleibt dabei nur reich, wenn auch weiterhin der Tausch inflationärer Papiergeldwährungen mit den Rohstoffen der Golfregion und der übrigen Welt unantastbar bleibt. Den arabischen Völkern wird insoweit auch im besten Falle nur eine eingeschränkte Souveränität angeboten.

Offen bleibt, ob die Massen zorniger junger Männer und Frauen mit Jobs und bürgerlichem Wohlstand in absehbarer Zeit befriedet werden können. Ohne eine schnelle ökonomische Lösung werden die – nach westlichem Ideal vermeintlich religiös neutralisierten Massen – zwar weiter auf materiellen Wohlstand hoffen (vermutlich auf Kosten von Schulden), aber nur durch autoritäre Staaten beherrscht werden können. Oder diese Menschen werden sich in ihrer Ohnmacht schlicht neuen Ideologien zuwenden. Gleichzeitig mehren sich weltweit die eindeutigen Anzeichen, dass der schrankenlose Kapitalismus – weder im lokalen noch im globalen Maßstab – auf gerechter Grundlage funktionieren kann.

In Europa hat sich die Demokratiebewegung entzweit: Der idealistische Flügel fordert die politische Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Völker und vertraut gleichzeitig auf die demokratische Kompetenz dieser Bevölkerungen, der andere – realpolitische – Flügel propagiert dagegen die aktive Einmischung und teilweise sogar den Demokratieexport mit Gewalt. Der zweiten Sichtweise geht es dabei auch um Klientelpolitik (Interessen der Medien, Banken, Energiewirtschaft usw.) und natürlich um die Absicherung der eigenen ökonomischen Vorherrschaft.

Die Muslime werden in einer machtvollen Dialektik ins Entweder-Oder und in die Freund-Feind Perspektive gestellt. Die Politisierung und Kategorisierung der Muslime endet dabei auf Dauer in einem einfachen Schwarz-Weiß-Muster: Sie haben nach westlicher Lesart entweder demokratisch-säkular oder fundamentalistisch-totalitär zu sein. „Liberale“ (staatlich geförderte) und „konservative“ (staatlich verfemte) Muslime sind Erscheinungsformen des politischen Islam.

Die alte Weite, Unabhängigkeit und Komplexität des muslimischen Denkens und seiner Lehre wird ersetzt durch ein politisch motiviertes Gegeneinander von (angeblich) „liberalen“ gegen (angeblich) „konservativen“ Muslime. Der Staat und seine Öffentlichkeit fördern dieses Gegeneinander durch das Gewähren unterschiedlicher Karrierechancen (Förderung, Fernsehen, Runder Tisch usw.)