Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Offener Brief der GfbV an die Uni Hamburg

„Mit der Ehrendoktorwürde an Putin „würdigen“ Sie die Zerstörung der russischen Demokratie und den Völkermord an den Tschetschenen!“ so argumentiert die GfbV in ihrem offenen Brief:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Professorinnen und Professoren,

die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg an den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist eine hohe Auszeichnung durch eine traditionsreiche und weltbekannte Hochschule, aber eigentlich auch eine Auszeichnung durch die Hansestadt Hamburg. Viele Persönlichkeiten, die sich um die Hamburger Universität, vielfach aber auch um Demokratie und Humanität verdient gemacht haben, sind Hamburger Ehrendoktoren geworden. Hat der russische Präsident diese Auszeichnung verdient?

Völkermord ist das schlimmste Verbrechen, zu dem Menschen fähig sind. Der heutige Präsident der Russischen Föderation hat seinen Wahlkampf auf die Niederschlagung der Unabhängigkeitsbewegung in Tschetschenien gegründet, wurde Präsident und hat dann 1999 einen zweiten Krieg vom Zaune gebrochen. Seither sind weitere 80.000 tschetschenische Kinder, Frauen und Männer ums Leben gekommen, dazu mindestens 13.000 russische Soldaten. Allein seit Beginn des Jahres 2004 wurden nach Berichten der angesehenen russischen Menschenrechtorganisation Memorial 141 Personen in Tschetschenien getötet, darunter 67 Zivilisten, 32 Mitarbeiter der pro-russischen Sicherheitsdienste, vier Repräsentanten der tschetschenischen Verwaltung und 14 mutmaßliche tschetschenische Kämpfer. Die Leichen der restlichen 24 sind noch nicht identifiziert. 194 Personen wurden seit Januar in Tschetschenien verschleppt. 15 von ihnen wurden tot gefunden, 97 kamen frei, der Aufenthaltsort der restlichen 82 ist unbekannt. Die Täter bleiben so gut wie immer straffrei. Ein Ende des Krieges und eine politische Lösung sind wegen des fehlenden Willens Russlands nicht abzusehen.

In der Russischen Föderation werden Menschenrechtler wie die mutige Vereinigung der Soldatenmütter, Journalisten, Umweltschützer und politische Oppositionelle immer wieder verfolgt. Auch vor politischen Morden schreckt der vom Geheimdienst dominierte russische Staat nicht zurück. Russland zählt zu den wenigen Ländern in Europa, in denen kritische Journalisten um ihre Freiheit, ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssen. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, zählt Putin zu den weltweit 37 „schärfsten Widersachern der Pressefreiheit“. Allein 2003 wurden acht Journalisten in Russland ermordet. Heute gibt es dort keine landesweit tätigen unabhängigen Fernsehanstalten mehr. Die „gelenkte Demokratie“ Putins sorgt dafür, dass jegliche Opposition unterdrückt und die Bevölkerung durch gezielte Fehlinformation auf Putin- Kurs gehalten wird.

Die internationalen Beobachter der OSZE und des Europarates haben auch die russischen Parlamentswahlen vom Dezember 2003 als unfair bezeichnet. Die Wahlwerbung der Opposition im Fernsehen wurde unterbunden. Das russische Parlament ist heute zum größten Teil gleichgeschaltet. Die Unabhängigkeit der Justiz existiert weitgehend nur noch auf dem Papier. Die Gouverneure der sieben von Putin eingerichteten Superprovinzen, die überwiegend aus dem Geheimdienst stammen, nehmen Einfluss auf die Besetzung der Richterstellen und die Entscheidungen der Gerichte. Russlands Gefängnisse sind notorisch überbelegt. Ein extrem hoher Prozentsatz der Gefangenen ist an Tuberkulose und Aids erkrankt. Folter wird besonders in der Untersuchungshaft routinemäßig angewandt um von den Verhafteten Geständnisse zu erpressen. Von willkürlichen Verhaftungen, Polizeikontrollen und Schikanen, wie Hausdurchsuchungen, dem Vorladen auf die Polizeiwache und dem Abpressen von Schmiergeldern sind besonders Angehörige von ethnischen Minderheiten betroffen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben in Russland massiv zugenommen.

Es hat Zeiten der Diktatur gegeben, in denen auch die Universität Hamburg für die Ziele eines totalitären Staates missbraucht wurde und wo der eine oder andere ihrer Professoren für diese Ziele eingetreten ist. Wir erinnern daran, dass damals Völkermord begangen wurde, dass ethnische und religiöse Minderheiten und andere Menschengruppen vernichtet oder verfolgt wurden, unter ihnen die Juden und Sinti, die Behinderten, die Zeugen Jehovas, konsequente katholische und evangelische Christen und viele andere.

Wenn wir aus dieser jüngsten Geschichte wirklich lernen wollen, sollen wir das nicht auf Sonntagsreden beschränken, sondern durch unser Handeln demonstrieren. In diesem Sinne bitte ich Sie für unsere Menschenrechtsorganisation, Widerstand zu leisten gegen diese Ehrung eines Mannes, der für die Zerstörung der russischen Demokratie und den Völkermord an den Tschetschenen verantwortlich ist.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker setzt sich seit Jahren für die Opfer des Genozids in Tschetschenien ein, dokumentiert die Kriegs- und Völkermordverbrechen und unterstützt die tschetschenische Menschenrechtsbewegung. Sie können jederzeit Material über diese Menschenrechtsverletzungen bei uns anfordern. Gern helfen wir auch mit Adressen tschetschenischer Menschenrechtlerinnen, falls Sie diese unterstützen möchten.

Mit freundlichen Grüßen

PS: Es wird wohl von niemandem bezweifelt, dass die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den russischen Präsidenten Putin von Bundeskanzler Gerhard Schröder „angeregt“ worden ist. Schröder selbst ist bekanntlich Ehrendoktor der Universität Petersburg. Die GfbV erinnert daran, dass die Bundesregierung die russische Tschetschenienpolitik durchaus unterstützt. Nach dem Bombardement von Grosny ähnelte diese tschetschenische Stadt der sächsischen Hauptstadt Dresden nach dem furchtbaren Bombardement 1945. Kaum war Grosny wieder in den Händen der russischen Armee, sandte die Bundesregierung eine Delegation des BND in die Trümmerwüste zu Absprachen mit dem russischen Geheimdienst. Obwohl noch Hunderte, vielleicht Tausende Leichen in Ruinen und Kellern lagen, sollte die BND-Delegation den Terror der „Tschetschenen“, nicht den Völkermord der „Russen“ recherchieren. Zur selben Zeit vereinbarte Verteidigungsminister Rudolf Scharping 34 Militärprojekte der Bundeswehr mit der russischen Armee. Bundeskanzler Schröder hat die russischen „Antiterror-Maßnahmen“ in Tschetschenien wiederholt gutgeheißen und Russland seine Solidarität versichert.

Süleyman Yildirim Nahost Referat Gesellschaft fuer bedrohte Voelker