Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

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Potsdamer Kaffeegespräche

„Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren*), erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren**), so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“

(Friedrich der Große, 1740 in Potsdam) *)ausüben **)bevölkern

„Wenn ihr versucht, die Segnungen Allahs aufzuzählen, so könntet ihr sie niemals alle zählen“ (Sura Ibrahim 34, An-Nahl 18)

Sonntag in Potsdam. Wie üblich trifft sich die Potsdamer Gemeinschaft zum Koran und zum anschließenden Kaffee im Garten. Wie immer gibt es einige Überraschungsgäste. Besucher, die auf dem Weg zum Sanssouci Park das kleine Zentrum entdecken und eben einfach „hereinschneien“, um einmal den Koran zu hören oder eben Muslime, die am Kaffeegespräch teilnehmen.

Heute ist es die Delegation einer Berliner Moschee. Naturgemäß ist unser „Kaffeethema“ die Rolle der Moschee in der islamischen Gemeinschaft. Die Katastrophe des 11. September, so stellen wir fest, hat die isolatorische Phase der Moscheen in Deutschland beendet. Das ist gut so. Heute suchen viele Moscheen den Kontakt mit den Nachbarn, der Stadtverwaltung oder anderen Gemeinschaften. „Amtssprache“ ist in fast allen einheimischen Moscheen heute Deutsch. Das ist schon deswegen logisch, weil die jüngere Generation besser Deutsch als Türkisch, Arabisch oder Bosnisch beherrscht.

Auch das Gespräch zwischen Muslimen, wie „ihre Moschee“ künftig gestaltet werden will, ist wichtig. Das Verhältnis von Moschee und Gemeinschaft bis hin zum Verhältnis von Salat und Zakat muß ebenfalls neu angedacht werden. Das traditionelle Wissen um die Moschee aus den Text-und Quellenbüchern des Islam muss an die europäische Situation angepasst werden.

Themen für das „innerislamische Gespräch“ gibt es wahrlich mehr als genug: Die Rolle der Stiftungen ist beispielsweise Schlüssel zur inneren Balance der islamischen Gemeinschaft. Die politische Deutung aller islamischen Strukturen hat das Stiftungswesen bisher verkümmern lassen, denn die Stiftung schafft die politische Unabhängigkeit und Stärkung der lokalen Gemeinschaft. Stiftungen sind daher nicht gerade das Lieblingsprojekt zentralistischer und machtorientierter Organisationen.

Auf der anderen Seite ist jede vitale islamische Gemeinschaft vom Stiftungswesen und ihren Dienstleistungen geprägt. Oft waren es die Frauen, die die komplexen Stiftungen geleitet und gemanagt haben. Überhaupt ist es gerade die aktive Rolle und Beteiligung der Frauen, die Moscheegemeinden im Ganzen wirklich lebendig machen. Selbstverständlich sollte jede Moschee entsprechenden Raum geben und natürlich ein Ort sein, wo sich die ganze Gemeinschaft trifft. Wichtiger als trennende Mauern zwischen „Männern und Frauen“ ist in der Moschee sowieso die Erziehung zum Adab, zum richtigen und korrekten Verhalten.

Es gibt viele weitere spannende Themen um die Moschee: Wie erhebt man die Zakat? Was tun mit den Jugendlichen? Wie kann man authentisches Wissen vermitteln? Der Kaffee dauert daher heute etwas länger. Tatsächlich ist es immer wieder gut, das innerislamische Gespräch zu fördern. Denn nur in der gemeinsamen Reflexion kann es gelingen, den Mittelweg zu finden. Ein Weg, der die Extreme meidet und weder in die unverbindliche Esoterik noch in die blinde Radikalität führt. Eine große und lebendige islamische Gemeinschaft ist dafür die beste Garantie.