Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Sonnenanbetung

„Mit den Ergebnissen von Bonn ist die Welt auf einem guten Weg. Das Zeitalter der Erneuerbaren hat begonnen….“ (Aus der Presseerklärung der Bonner Konferenz)

Krieg ums Öl. Eine offene, weltumspannende Geopolitik, deren möglicher Vollzug noch vor Jahren als Verschwörungstheorie abgetan worden wäre. Erfundene Kriegsgründe. Lügen. Permanenter Ausnahmezustand. Irak. Folter. Der aufgeklärte Westen staunt noch ein wenig. In solchen Lagen braucht es ein positives Signal, etwas woran auch die „Stützen der Gesellschaft“ wieder langfristig glauben können. Auch unsere Führung spürt das. Es muss ja weitergehen.

Machen wir uns nichts vor – jedes weltliche System braucht um zu Funktionieren nicht nur Energie, sondern auch ein bisschen Hoffnung. Eine geistige Orientierung in der Trübsal des weltlich-profanen Koordinatensystems zwischen irrationalen Börsen, Verschuldung und zerrütteter Natur. Der Mensch braucht das Unverbrauchte.

Die Sonne kommt da gerade recht. Am Wochenende stolpert man auf dem Bonner Marktplatz über Strohballen und Werbestände. Auf den Altären werden technisch schicke und saubere Lösungen angeboten. Kapitalismus light mit sonnenbetriebenem Dynamo-Antrieb. Das Ganze schafft Arbeitsplätze und ist schon deswegen als Glaubensform eine Mission mit Weltanspruch.

Die „böse“ Technik durch eine „gute“ Technik abzulösen ist eine Art Urtraum der Grünen. Ich erinnere mich an Sonntagsspaziergänge mit meinen Eltern in Wyhl: dort wurde zusammen mit Kaiserstühler Bauern und Freiburger Studenten im Rheinwald ein buntes Dorf errichtet und mit einfachen Mitteln ein Atomkraftwerk verhindert. Ganz ohne Zaubertrank. Am Lagerfeuer saßen Elsässer und Kaiserstühler und sangen in der unverwechselbaren Mundart fröhlich klingende Lieder. Eine erfolgreiche Aktion übrigens. Nur wurde kurz danach der Meiler einige Meilen weiter im französischen Fessenheim errichtet. Die neue Europapolitik war da. Das Feuer ging aus, die spontane und bunte Basisbewegung ging nach Hause und die Grünen bald ins Parlament. Der Rest ist Geschichte.

Bis heute blieb es aber der alte Traum der Grünen, die Menschheit zunächst einmal von der Atomtechnik zu erlösen. Allerdings blieben die profanen finanztechnischen Aspekte der globalen kapitalistischen Operation eher unbedacht. Der Freiburger Philosoph Martin Heidegger kommentierte das Missverständnis um die moralische Deutung der Technik jenseits von Gut und Böse so: „der Mensch glaubt er habe die Technik in der Hand, de facto ist es aber andersherum“. Soweit die Philosophie.

Gerade aber als Grüner mit hohen moralischen Ansprüchen waren die letzten Monate des weltweit selbstbewusst auftretenden Kapitalismus nicht schön anzusehen. Die neuen Benzinpreise sind für gläubige Grüne ein ungutes „Zeichen“. Es droht das Weltgericht der Fakten, der Zahlen, der Figuren. Auf der Bonner Konferenz der „erneuerbaren Energien“ erklärte Bundesumweltminister Jürgen Trittin die Ziele der Missionsbewegung:

„Wir haben international neue Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt. Der Aktionsplan wird Investitionen in Milliardenhöhe mobilisieren, die in die Energiegewinnung aus Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme gehen. Dies hilft auch dem Klima. Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen wird der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid in steigendem Maße sinken: Im Jahre 2015 wird sich die zu erwartende CO2-Einsparung auf schätzungsweise 1,2 Milliarden Tonnen pro Jahr belaufen. Die Renewables 2004 ist ein Meilenstein für den Übergang zu einem Energiesystem, das den Klimaschutz und die realen Entwicklungschancen der Armen dieser Welt gleichermaßen in den Mittelpunkt rückt.“

Aha, es soll immerhin im neuen Jahrhundert auch für alle Armen und Beladenen gut werden. Das wäre dann, stimmen die mathematischen Gleichungen, wohl bis, sagen wir mal, ca. 2056 der Himmel auf Erden. Wir ahnen, bis dort aber wird es noch ein wenig wild bleiben auf dieser Welt.

Auch politisch soll es das Projekt der alternativen Energie richten. Der gute Staat ist nämlich ein Sonnenstaat. Ein energiepolitischer Vegetarier und Wiederkäuer. Eigentlich ist China bisher eher ein Schurkenstaat, mordet, verfolgt – kauft aber auch ordentlich ein. Auf der Konferenz betreibt man nicht etwa die altmodischen Ächtungsriten des alten Humanismus, sondern die moralische Reinwaschung des Regimes: Eine Diktatur, die den Energiehunger mit alternativen Energien stillen will, kann ja nicht so schlimm sein. Amtsdeutsch liest sich dies so:

„China plane die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der installierten Gesamtenergieleistung auf 10 Prozent bis 2010. Dies entspricht 60 Gigawatt installierter Gesamtleistung, welche sich voraussichtlich wie folgt zusammensetzen wird: 50 Gigawatt aus kleinen Wasserkraftwerken, 4 Gigawatt durch Windkraft, 6 Gigawatt durch die Nutzung von Biomasse sowie 450 Megawatt aus Solarenergie. Um diese Ziele zu erreichen hat China eine eigene nationale Strategie für erneuerbare Energien entwickelt, wofür die Regierung in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren insgesamt rund 50 Mrd. Euro aufbringen wird.“

Fragen der Finanzierung gehörten natürlich zu den zentralen Themen der Konferenz. „Der Finanzierungsfonds Globale Umweltfazilität“ (Global Environment Facility, GEF) sagte zu, jährlich 100 Millionen US-Dollar einzusetzen, um anspruchsvolle Erneuerbare-Energien-Projekte in Entwicklungsländern zu unterstützen. Dadurch sollen Gesamtinvestitionen von ca. 500 Millionen US-Dollar pro Jahr ausgelöst werden. Die Weltbankgruppe hat angekündigt, die Zusagen im Bereich erneuerbarer Energien und Energieeffizienz um jährlich 20% in den nächsten fünf Jahren zu erhöhen. Damit wird sich im Jahr 2010 die jährliche Unterstützung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz auf 400 Millionen US-Dollar belaufen, was einer Verdoppelung der bisherigen Summe entspricht.“

Die Sonne bringt es also wieder einmal an den Tag: es geht auch immer ein wenig um Dollars. Es geht überhaupt nur mit Dollars. Ganzheitliche Sonnenpolitik.

Das Fazit. „Die positiven Konferenzergebnisse geben Mut: Erneuerbare Energien sind weltweit akzeptiert, sie finden hier bei uns und in Entwicklungsländern immer neue Anhänger. Damit werden wir einen signifikanten Beitrag für die nachhaltige Verringerung der Armut in der Welt sowie für den Schutz des Klimas durch eine Reduktion der Treibhausgasemissionen leisten“, betonte Frau Wieczorek-Zeul.

Einige der „Anhänger aus den Entwicklungsländern“ treffe ich am Sonntag zufällig beim Frühstück im Ibis-Hotel. Für diese afrikanische Delegation ist das Ibis-Hotel, wenn auch nur für ein Wochenende, schon mal eine Fünf-Sterne-Lösung. Danke Deutschland. Aber glaubt man auch an die Weihungen und Segnungen des Energieprogrammes? Ende des Hungers? Da lächelt man auf der anderen Seite. Die Sache mit dem „selbsterhitzenden Kochtopf sei aber prima“ sagen sie. Wenn etwas drin ist.