Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Zielgruppe „Straße“

Foto: Facebook

Die Zielgruppe ist die „Straße“. #‎PEGIDA und #‎AFD wollen zweifellos in diesen Tagen einen neuartigen Begriff des Abendlandes prägen. Ein schräges, unbestimmtes „Islambild“ dient den Propagandisten dabei als diffuse Projektionsfläche. Mangels einer positiven Agenda sollen so nicht nur die Dresdner auf der Grundlage dieses kleinsten gemeinsamen Nenner mobilisiert werden. Die „Bewegung“ entzieht sich dabei nicht nur jeder rationalen Diskussion, sondern profitiert auch von der gesellschaftlich akzeptierten Gewohnheit, die islamische Lebenspraxis in Europa nahezu beliebig mit Extremen in aller Welt zu assoziieren. Deutsche Leitmedien, die sich jetzt über die Gesinnung der Demonstranten empören, hatten zuvor die Stimmung mit der Verbreitung entsprechenden dunkler Assoziationsketten vorbereitet.

Natürlich muss die Negativität gegen die Muslime immer wieder neu hinterfragt werden.

Abendland ohne europäische Geschichte?
Die Angst vor der angeblichen Islamisierung Europas ist mehr als paradox. Große Teile Europas sind oder waren ja gerade vom Islam geprägt. Die gedankenlose Konzeption eines „islamfreien“ Europas ist schon angesichts des Schicksals der bosnischen Muslime in den 1990er Jahren zynisch.

Abendland ohne Denken?
Große europäische Denker wie Nietzsche, Rilke oder Goethe waren nicht nur auf der Suche nach der Einheit, sondern jederzeit auch zum inhaltlichen Austausch fähig und schon deswegen am Islam interessiert. Insoweit wäre das Ziel eher die Straße zu bilden, bevor man sie mobilisiert.

Abendland ohne Goethe?
Das Universalgenie der Deutschen war nicht nur vom Islam fasziniert, sondern auch darüber im Klaren, dass in einer Welt der Technik provinzielles Denken künftig keine Identität mehr stiften kann. Das Phänomen der Finanztechnik erkennt Goethe bereits als die eigentliche Herausforderung für das künftige Überleben von Kulturen und Religionen.

Abendland ohne Deutsche (Muslime)?
Selbstverständlich sind alle hier geborenen Muslime, natürlich auch die große Zahl zum Islam Konvertierten, gleichberechtigte BürgerInnen in Deutschland und haben mit der Problematik einer Integration nichts zu tun. Die These, dass ein hier geborener Muslim wegen seiner Religion kein Deutscher sei (wenn er es denn sein will), ist rassistisch.

Abendland ohne kollektive Freiheitsrechte?
Natürlich gehört zum abendländischen Begriff der Freiheit die kollektive Ausübung jeder Religion, sei es in Kirchen, Moscheen, oder Synagogen. Skandalös ist in diesem Zusammenhang bisher allein die Verdrängung von Moscheen und ihren Gemeinden in trostlose Gewerbe- und Industriegebiete.

Abendland ohne eigene Identität?
Wer die eigene Identität nur noch mit Hilfe einer unbestimmten Gegnerschaft ermitteln und vermitteln kann, zeigt gerade auf, dass er keine eigene kulturelle Identität mehr hat. Die Stiftung neuer Kultur – jenseits des reinen Konsums – ist eine Herausforderung für alle in Deutschland lebenden Menschen.

Abendland ohne Parlamente?
Wer nur noch durch den Druck der Straße auf die Parlamente einwirken will, fördert die Idee einer subjektiven Volksherrschaft (Mehrheit regiert) ohne das Maß parlamentarischer Kontrolle. Die Qualität der Politiker und ihrer Politik spiegelt dabei auch den Zustand der Wähler.

Abendland ohne ökonomische Alternativen?
Wer die Debatte über eine gerechte Gesellschaft auf dem Rücken von Flüchtlingen austrägt, zeigt gerade die Hilflosigkeit auf, das Unvermögen einen Weg zur Mäßigung unserer globalen Ökonomie zu benennen; also genau der Ökonomie, die mit zu den ungeheuren Flüchtlingsströmen beiträgt.

Abendland ohne Diskurs?
Menschen, die mehrheitlich keine Muslime kennen, demonstrieren gegen sie, verwenden bewusst unbestimmte Begriffe, meiden die inhaltliche Auseinandersetzung und agieren so aus der Sicherheit und Bequemlichkeit des Schweigens.