Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

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Zuflucht

Es gibt sie, die Orte der Zuflucht. Heute liest man, dass ARD-Talkmaster Harald Schmidt in seiner Sendung niemals Islam-Witze machen würde. Also wenigstens eine kleine Nische, wo man als Muslim in der Medienwelt ungestört hingucken kann. Rudi Carrell, der letzte Märtyrer in Sachen Humor, hatte für seine Scherze sich noch mit dem Iran angelegt. „Davon lasse ich die Finger. Das ist mir zu heikel“, sagte Schmidt der Zeitung «taz». Er habe zwar keinen gefährlichen Beruf, aber er müsse wachsam sein. „Sie brauchen die nötige Feigheit. Machen sie doch lieber Witze über US-Präsident Bush, das ist ungefährlich“ rät der altersweise Entertainer den Kollegen in der Medienbranche.

Normalerweise empfiehlt sich auch für sufisch denkende Muslime instinktiv Distanz zu den Unappetitlichkeiten am Wegesrand. So heißt es bei einem Gelehrten, herb und als guter Rat gemeint: „Wennn Du einen Mann seine Notdurft verrichten siehst, dann schau weg – sonst wirst Du Teil davon“. Kurzum, es gibt Sachverhalte, denen man sich besser entzieht, da, wenn man diesen Dingen Wirklichkeit gibt, man auch selbst Schaden nimmt. Das ist die ästhetische, die weise Position. Und, keine Frage, besser als eine dänische Fahne in der man sich verbeißt, schmeckt nach wie vor dänische Butter. Aber, während man früher einfach die Zugbrücke hochzog und zumindest privat, vielleicht sogar spirituell war, dringt heute das Fernsehen, ohne anzuklopfen und mit Macht in unsere guten Stuben.

Natürlich ist es in jeder Religion, der es noch ernst ist, eine ernste Sache, die Heiligen zu beschimpfen. Nach islamischem Recht kann es schlicht ein Verbrechen sein. Für den Westen, der sich global und immer im Recht sieht, ist das nur schwer zu verstehen. Der manchmal inszeniert wirkende Aufschrei der Muslime mag gesteuert sein, doch jenseits der Kameras, ist aber auch die Not der Jahrzehnte der Ungerechtigkeit, der Erniedrigung und der ökonomischen Beschwernisse auszumachen. Wer nichts mehr hat außer seinen Körper, Allah und seinen Propheten, verteidigt, was ihm bleibt. Und – bewundern auch hier nicht einige Europäer, die sonst das erbärmlich Nichtige des modernen Homo Sacer beklagen, dass es immer noch arme Gläubige und im Glauben reiche Menschen gibt, denen etwas heilig ist?

Presse- und Meinungsfreiheit sind hier nicht wirklich betroffen. Auch in Deutschland gibt es aus historischen, einsichtigen Gründen Tabus und Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Zivilisierte Menschen werden diese auch weiterhin verteidigen wollen. Jacques Verges, das enfant terrible der Anwälte, der immer wieder das Recht über die Moral stellt, hat einmal in einem Interview auf die Frage, ob es in dieser Welt noch Tabus gebe, geantwortet: „Ja natürlich, oder würden Sie über einen Anne Frank-Porno lachen?“ Kurzum, es gibt sie, die Tabus, und wären sie alle verschwunden, dann wäre die Welt weiß Gott ein Stück barbarischer.

Interessant, dass im Westen besonders die Boykottaufrufe der islamischen Welt als tiefe Beleidigung aufgenommen werden. Man versteht diesbezüglich traditionell wenig Spaß und es wurden, wehret den Anfängen, sofort die Blaulichter der WTO eingeschaltet. Dass die Muslime in Deutschland auch nicht gerade auf Rosen gebettet werden, vernimmt auch die Kundschaft am Golf. Ein Alptraum für die islamkritische Regierung in Stuttgart wäre zum Beispiel ein alter saudischer Gelehrter, der langsam die Hand hebt und verkündet, dass der VOLVO religiös korrekter sei als der MERCEDES. Noch schlimmer wäre nur noch der demokratisch legitimierte Wille der Araber, das Öl für unsere Karren nach Shanghai zu verkaufen.