Das Theater in dieser Woche war beispielhaft: An den Börsen ließen »verunsicherte Anleger« weltweit die Kurse heftige Zuckungen vollführen. Einschlägige Beobachter aus Medien, Brokerhäusern, Instituten und anderen Lobbyorganisationen schürten die Angst. Ohne schnelle Öffnung der Geldschleusen durch den Staat breche alles zusammen, lautete die Botschaft. Denn ein Zusammenbruch des Bankensystems treffe auch »Joe Sixpack«, den typischen (und wahlentscheidenden) US-Bürger. Der habe leider von derartigen Dingen keine Ahnung, lamentierten Kolumnisten, und sei bloß aus Neid gegen die Sanierung der Wall Street. (Klaus Fischer, Junge Welt)
In der türkischen Moschee, die ich zum Eid Gebet besuchte, standen hunderte Männer Schulter an Schulter. Es war eng, etwas stickig. Man wird sich dennoch über die Dichte der Atmosphäre und mangelnden Platz nicht beklagen. Der Zusammenhalt, der sich darin zeigte, gibt auch für kommende, etwas unruhigere Zeiten ein Gefühl der Sicherheit. Joseph Beuys hatte Recht mit seiner anderen Sicht auf nachhaltigen Reichtum: Kapital sind Menschen und soziale Kontakte. „Kapital“ bedeutete so für Beuys das kreative Vermögen des Einzelnen, schöpferische Energie, gespeichertes Wissen – das Potenzial einer Gesellschaft.
Liest man alltäglich die Gazetten, so spürt man in vielen Kommentaren die Erschütterung über eine Ökonomie, die nicht nur auf wundersamer Geldvermehrung beruht, sondern auch auf Sand gebaut ist. Die Banker präsentieren uns mit dem kühlen Charme von gleichgültigen Kellnern die Rechnung. Man stöhnt kurz über die unverschämt anmutenden Preise, man bezahlt aber schließlich murrend, weil man bezahlen muss.
Signifikant ist die Rolle der Politik, die ihrer politischen Sorgfaltsplicht nicht nur nicht nachkam, sondern nun sogar „theaterreif“ noch überrascht tut. Ein Blick auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD genügt. Dort ist von Liberalisierung der Finanzmärkte und von den angeblichen Segnungen des „Wagniskapital“ die Rede. Die Schuldenreligion versprach Befreiung durch „ewiges Wachstum“.
Der Rücktritt Lafontaines als Finanzminister als Reaktion auf das Finanzdiktat erscheint heute in einem anderen Licht. Gegen die öffentliche Rede war es eher Lafontaine, der mit dieser Entscheidung Rückgrat bewies. Heute hat er als Linker gut schimpfen: “ Im Übrigen bin ich skeptisch. Die Tatsache, dass jene, die sich früher dem Diktat der Finanzmärkte unterworfen haben, jetzt anders reden, sagt noch lange nicht, dass sich wirklich etwas ändert. In den USA soll der Investmentbanker Hank Paulson als Finanzminister den Weg aus der Krise weisen. Das ist so, als machte man den Chef eines Drogenrings zum Beauftragten gegen den Rauschgifthandel.“
Der Crash war also für Jedermann absehbar und wurde – wie von dem Finanzprofessor und Buchautor Max Otte – als logische Folge ausufernder Geldmengen bestimmt. Der einsame Rufer Otto – Repräsentant einer in Berlin unbekannten Lobby – beschrieb den Irrweg und erklärte, dass der Geldsegen aus der Notenpresse vor allem „in immer spekulativere Investments“ fließe und deswegen irgendwann „die Masse der Schulden unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen“ werde. Die ultimative Folge: Staatsbankrott, Währungsreform, das Gespenst von 1929, der letzten großen Weltwirtschaftkrise.
Die Bedrohung eines zerfallenden Finanzsystems lässt den Kampf gegen den Terrorismus als romantische Episode erscheinen. Auch auf islamischer Seite sind diesbezügliche Mahnungen an die Gläubigen eher selten. Der Hintergrund ist einfach: Der islamische Modernismus hat seine zwei politischen Pfeiler der angeblichen Modernisierung – also „Partei“ und Bank“ – nie ernsthaft in Frage gestellt.
Fakt ist: die berühmten Gelehrten schweigen, wie zuvor bei der Frage nach dem Terrorismus, auch bei den ökonomischen Fragestellungen dieser Zeit. Die Problematik der „islamischen“ Bank zeigt sich schon an dem Phänomen, dass auch diese Bank vollständig in den Kreislauf inflationären Geldes eingebunden ist. Der Fakt, dass die Bank „moralisch“ besser scheint, entbindet die Bank nicht von der Integration in das irrationale globale Finanzsystem und macht sie keinesfalls zum sicheren Hafen islamischen Kapitals.