Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

2009-12-08

Am Sonntag bin ich mir doch wieder untreu geworden und habe „Anne Will“ angeschaut. Die Ausnahme war gerechtfertigt wegen der Sympathie, die ich für das „Afghanistan“-Engagement von Roger Willemsen und Karim Popal hege. Der Bremer Rechtsanwalt Karim Popal hat sich nicht nur mit deutscher Gründlichkeit der Sichtung der Opfer der Bomben von Kundus angenommen, sondern auch gleichzeitig engagiert sichergestellt, dass nicht jeder, der einen Bart trägt, am Hindukusch ein „Taliban“ ist und damit, aus westlicher Logik, als politischer „Unwert“ zerstört werden kann.

Willemsen, einer der bedeutendsten deutschen Sprachakrobaten, gehört mit seinen Guantanamo-Interviews zu den wenigen, die schon früh, ihre Stimme gegen das himmelschreiende Unrecht im Rahmen des „Krieges gegen den Terror“ erhoben haben. Bei Anne Will hat Willemsen darüber hinaus eine provokante These über die massive Militärpräsenz zu bieten: „Der jetzige Prozess führt den Menschen die Taliban zu“. Willemsen ist überzeugt, dass die militärische Taktik, die sich nach wie vor als „Kampf gegen den Terrorismus“ definiert und legitimiert, nur neue Gewalttäter schafft.

Natürlich zweifeln viele Deutsche schon lange daran, dass am Hindukusch unsere Demokratie verteidigt wird. Zu offen treten die profanen geopolitischen Interessen der USA und Indiens hervor, die sich auch in der neuen Strategie der „Regionalisierung“ zeigt. Dieser Ansatz der „Regionalisierung“ – manche sagen auch „Balkanisierung“ – des Gebiets, wird inzwischen auch von Verteidigungsminister Zu Guttenberg vertreten. Auf einer Veranstaltung des CSIS in den USA bekennt sich der Minister zu diesem neuen regionalen, auf den Nationalismus der beteiligten Volksgruppen setzenden Ansatz und gibt gleichzeitig die Idee einer afghanischen demokratischen Nation offiziell auf. Diese Politik des „Teilens und Herschens“, die Schaffung vieler kleiner Entitäten, ermöglicht die dauerhafte geopolitische Dominanz in einer der Schlüsselregionen der alten und neuen Welt.

Noch immer wird die Debatte in Deutschland gerne unter der „Entweder-Oder“ Logik „Taliban oder Nato“ geführt. Natürlich gibt es auch längst eine dritte Position. Die Autorin Malalai Joya fasst die Situation der Afghanen so zusammen: „Heute sind wir Afghanen zwischen zwei Feinden gefangen, auf der einen Seite die Taliban und auf der anderen Seite die Nato Truppen und ihre Warlords“.