Max Ernst, der Mitbegründer des Dadaismus und Surrealismus, gilt heute als einer der großen Künstler Deutschlands. Sein Werk bricht mit unseren überkommenen Denk- und Sehgewohnheiten und korrespondiert immer wieder gewagt mit dem Phantastischen, Unsichtbaren, Verborgenen und Geheimnisvollen. „In einer wahnsinnigen Zeit, in der Politik von Wahnsinnigen gestaltet wird, muss eben auch die Kunst wahnsinnig sein“, wird Max Ernst in dem sehenswerten Film von Peter Schamoni über das abenteuerliche Leben des Künstlers zitiert.
Berühmt ist sein Bild Die ganze Stadt (1935/36), das auf den trostlosen Zivilisationszustand unter der Herrschaft der Ideologien anspielt. Die Stadt, als eigentlicher Höhepunkt menschlichen Wirkens, steht schutzlos unter der Sonne. Ob sie noch die Hitze spiegelt oder schon am Erkalten ist, bleibt dabei offen. Unter ihr erscheint eine dem normalen Blick entzogene Unterwelt, die die Werke des Menschen endgültig zu verschlingen droht.
Neulich habe ich mich mit einem befreundeten Literaturprofessor über Max Ernst unterhalten. Mein Freund hatte seine Studenten spontan gebeten, einmal selbst eine Collage, eines der berühmten Stilmittel des Künstlers, anzufertigen. Aus Magazinen und Zeitschriften sollten spontan Bilder, Motive und Wortfetzen ausgeschnitten und zusammengesetzt werden.
Nach dem die Schüler – zunächst mit Widerwillen, dann mit wachsendem Engagement – ihre „Bilder“ fertig stellten, war die Überraschung groß. Die Werke präsentierten durchaus nicht nur eine „andere“ Wirklichkeit, sondern bildeten bei genauerem Hinsehen auch jeweils einen erkennbaren Sinnzusammenhang. Die verarbeiteten Bilder, Symbole und Eindrücke korrespondierten mit dem Unterbewusstsein der Schüler und bildeten so jeweils in Verknüpfung von Sichtbarem und Unsichtbaren ihre eigenartige Bedeutung.
Diese Technik wird übrigens auch heute gerne erneut im politischen Feld angewandt. Die politische Collage war ja zunächst eine Variante der Propaganda der 1920er und 1930er Jahre des letzen Jahrhunderts. Heute taucht sie wieder auf. Hier werden Schnipsel, Halbwahrheiten, Gerüchte, Fragmente, Zitate und Mutmaßungen über ein Individuum oder eine Personengruppe (zum Beispiel die Muslime) zu einem Bild zusammengesetzt.
Das Ergebnis ist notwendigerweise surreal. Es korrespondiert eher mit dem Unterbewusstsein oder den abgründigen Absichten des Beobachters als mit der Wirklichkeit der Person oder der Gruppe, die die Collage – die ja nur im Kopf des „Künstlers“ entstand – angeblich repräsentieren soll.