Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Deutscher Grillo?

Es gibt keinen deutschen Beppe Grillo! Oder doch? Einen Kandidaten könnte man sich auch in der ernsten politischen Landschaft Deutschlands denken. Der Kabarettist Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig hätte zum Beispiel alle rhetorischen Fähigkeiten, das politisch interessierte Publikum mitzunehmen. Mit der Kunstfigur «Pelzig» hat der ehemalige Journalist und studierte Politikwissenschaftler beinahe Kultstatus erreicht. Spätestens seit seinen Auftritten im ZDF-Format «Die Anstalt» und in seiner eigenen Talkshow «Pelzig hält sich» ist der Franke einem breiten Publikum bekannt. Und – «Pelzig» nutzt seine Bühne(n) nicht nur für Klamauk, sondern auch für schonungslose Beiträge zur politischen Lage.

Es gibt wohl keinen deutschen Politiker, der es sich leisten könnte, so direkt und intelligent die umstrittenen Markteilnehmer und die politische Klasse selbst ins Visier zu nehmen. Zugegeben, «Pelzig» ist kein Volkswirtschaftler, aber schlau genug, das Geschehen auf den Marktplätzen und der politischen Bühne schonungslos einzuordnen. Schwerpunkt seiner ironischen Beiträge ist dabei immer wieder das Verhältnis ökonomischer Macht zur Politik. Bei der Frage, «wer regiert wen» bleibt einem das Lachen hin und wieder auch im Halse stecken. Tatsächlich: Der Kabarettist hat sich inzwischen erstaunliche Freiräume erkämpft und nutzt dabei die gewonnene Narrenfreiheit zuverlässig mit scharfen politischen Untertönen.

Seine Talkshow ist inzwischen ein Asyl für den an politischer Debatte interessierten Fernsehzuschauer geworden, mitsamt dem im öffentlich-rechtlich Fernsehen seltenen Luxus, statt Quasselrunden folgen zu müssen, lieber dabei zu sein, wie einzelnen Gesprächspartner einigermaßen Hintergründiges entlockt wird. «Pelzig» gelingt das immer wieder – zum Beispiel im Gespräch mit Sarah Wagenknecht in der Märzsendung. Die Vertreterin der Linken darf beim «Bowle Trinken», was ihr sonst selten im Fernsehen vergönnt wird: Sie kann gleich mehrere inhaltliche Sätze gegen das «Bankensystem» oder die «Rettungsschirme» formulieren und – wenn sie schon unterbrochen wird – dann mit intelligenten Zwischenfragen. «Werden Sie vom Verfassungsschutz beobachtet?«, fragt sie «Pelzig» schmunzelnd und hakt zugleich bei der verdutzten Politikerin nach, «ob Sie bereits jemanden im Publikum erkenne».

Auch in seinen Auftritten in «der Anstalt» erklärt der Komiker nicht nur die wichtigsten ökonomische Begriffe, sondern übt sich auch ungeniert in Frontalattacken. Beinahe legendär und ein Renner auf «YouTube» ist die Sendung vom November 2011, als «Pelzig» in der Anstalt auf einer Schultafel die Struktur der internationalen Geschäftsbanken erklärt. Dabei nennt der Kabarettist nicht nur bekannte Namen, er listet auch akribisch die Netzwerke der Banken auf, erklärt brillant die Karrieren der Bankiers von Goldman Sachs und ihre vielfältigen Beziehungen zur aktuellen Politik. Am Ende seines Monologs hat sich «Pelzig» derart in Rage geredet, dass man nicht mehr recht weiß, ob man heulen oder lachen soll.

In der letzten Sendung ließ sich «Pelzig» von einer 12 Meter langen Papierrolle einwickeln, auf ihr eine Liste mit den 1.800 Töchtern der deutschen Bank. Die Undurchsichtigkeit des Systems und die Rolle des Bürgers wird dabei augenscheinlich. Unter dem Jubel des Publikums fasste «Pelzig» seinen erfrischenden Unmut gegen die Machenschaften der «Finanzinstitute» zusammen: «Ich habe die Schnauze voll.» Ein deutscher Grillo, also? Redetalent, analytische Fähigkeiten, politisches Verständnis hätte der Mann. Nur, es fehlt noch am Ernst, hierzulande dieses politische Talent in eine «politische Alternative» einzubinden.