Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Freudenfest

Das letzte große Freudenfest in der Köln-Arena war der Sieg der Deutschen bei der Handballweltmeisterschaft. Am vergangenen Sonntag gab es dort einen Event der besonderen Art: der türkische Regierungschef Erdogan ließ sich von 20.0000 in Deutschland lebenden Menschen mit türkischem Hintergrund wie ein Star feiern. Schon allein die Begeisterung für den populären Erdogan war vielen konservativen Politiker in Deutschland unheimlich, auch, weil es bei ihren eigenen Großkundgebungen eher nüchtern zugeht. Die Begeisterung bei Merkel und Huber hält sich bei ihren Reden doch sehr in Grenzen.

Das klare Bekenntnis des konservativen Erdogan zu Europa fand bei den deutschen Konservativen wenig Gehör. Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein monierte vielmehr, dass Erdogan angeblich die türkische Sprache und Kultur eindeutig über die deutsche gestellt habe. Der CSU-Vorsitzende Erwin Huber sieht gar in Erdogans Auftritt einen Grund, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu überprüfen. Die CSU lehnt einen Beitritt der Türkei vehement ab und nutzt jede Gelegenheit, einen Stopp der Beitrittsverhandlungen zu fordern. Die aktuelle Begründung lautet nun natürlich, dass Erdogan türkischen Nationalismus auf deutschem Boden gepredigt habe.

In der eigentümlichen Denkwelt der CSU ist dabei normalerweise „Türkei“ und „Islam“ irgendwie deckungsgleich. Erdogan hat aber gerade nicht über den Islam gesprochen. In der Tradition des Osmanischen Reiches wäre die Betonung einer Ethnie über eine Andere sowieso undenkbar gewesen. Der Islam ist und war nie nur eine Kultur. Ein Deutscher kann ein Gläubiger, ein Muslim sein und ein Türke ein Ungläubiger, ein Nihilist. Erdogan bemüht das „Türkentum“ – ähnlich wie seine deutschen Kollegen das „Deutsche“, wohl eher und vor allem, um in den rauhen Winden der Globalisierung etwas nationale Nestwärme zu verbreiten. Dabei ist die häufige Erwähnung der Glorie der eigenen Kultur eher ein Indiz dafür, dass diese allgemein am Schwinden ist. Jedenfalls sollte für die Identität der Muslime, die hier leben wollen, weder die Absorbierung der Größen der deutschen Kultur noch das Erlernen der wunderbaren deutschen Sprache ein Problem darstellen.

Was bleibt, ist eine eher akademische Debatte um von Erdogan ins Spiel gebrachte Begriffe wie „Integration“ oder „Assimilation“. Die Vorlagen sind klar. Bereits die Ankündigung der von der Europäischen Union türkischer Demokraten (UETD) organisierten Veranstaltung sorgte für erhebliche Diskussionen. „Will Erdogan Bundeskanzler werden?“ fragte beispielsweise das Hamburger Abendblatt. Schließlich klebten Tausende Einladungsplakate mit dem Konterfei von Erdogan in türkischer Sprache in Köln und Umgebung. Warum die UETD, wie schon der Name suggeriert, nicht auch deutschsprechende Besucher und Mitglieder umwirbt, bleibt nicht nur ein Manko, sondern auch ein schwerer strategischer Fehler. Egal ob muslimische oder weltliche Organisation: das krampfhafte Festhalten an einer bestimmten Ethnie entwickelt auf Dauer für jeden Zusammenschluss den Charme eines politischen Dinosauriers.