Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Gelenkte Empörung

Zu den wenigen Köpfen, die auch in Krisenzeiten eine eigenständige Gedankenführung bevorzugen, gehört sicherlich der sturmerprobte Peter Scholl-Latour. In seinem neuen Buch „Der Weg in den neuen kalten Krieg“ wiederholt er seine bekannte Skepsis gegenüber der Existenz eines global vernetzten Super-Terrornetzwerkes, einer de facto – so Scholl-Latour – ziemlich „kunterbunten Assoziation teuflischer Übeltäter“.

Scholl-Latour erinnert auch an die wichtige Feststellung Brzezinskis, des ehemaligen Sicherheitsberater des US-Präsidenten Carter, dass man mit dem Wort „Terrorismus“ keinen Gegner definieren kann, sondern nur eine Form der Kriegsführung. Diese Art der Kriegsführung, modern und nihilistisch, wenden Staaten (man denke nur an Gladio), linke oder rechte Ideologen, religiöse Eiferer oder sonstige Desperados seit Jahrzehnten gleichermaßen an.

Halten wir also fest: Es gibt leider muslimische Terroristen, aber sicher keinen islamischen Terrorismus. Terrorismus ist eine Art der Kriegsführung, die notwendigerweise mit dem islamischen Recht bricht, also einen ideologisierten oder unwissenden Attentäter voraussetzt. Es bleibt die Frage, zu wessen Gunsten, die modernen Partisanen, die nach Carl Schmitt „irregulär“ vorgehen und nach der klassischen Definition einen geheimnisvollen „Dritten“ als Unterstützer haben, kämpfen.

Der aktuelle Terror in Bombay, gekennzeichnet durch das sinnlose und „rauschartige“ Töten von Unschuldigen, liefert eine neue Vorlage für die Gegner des Islam, die Muslime und Terror ganz gerne einfach gleichsetzen würden. Schon jetzt herrscht durch die Verwendung von Assoziationsketten in den Massenmedien, auch für die Muslime in Europa, ein Klima verbreiteter Einschüchterung. Die Kennzeichnung als „Islamist“ – ein vager Begriff ohne klare Definiton – geht mit der sozialen Verbannung einher.

Gleichzeitig beginnt die Amtszeit Obamas mit einem spektakulären Akt, der sich auch ganz gut als weiterer – durch kein Rechtsmittel prüfbarer – Vollstreckungstitel für allerlei geopolitische Strategien und Machenschaften auf dem eurasischen Kontinent eignet.

In Indien ist die abgründige Geschichte des Terrors übrigens einigermaßen komplex und unübersichtlich. Der sogenannte „Weltrat der Hindus“ war einer der treibenden Kräfte beim Terror 2002 im Bundesstaat Gujarat, bei dem etwa 3.000 Muslime abgeschlachtet wurden. Abgesegnet war die Aktion vom BJP-Ministerpräsidenten Narendra Modi. Nachdem das investigative Nachrichtenmagazin „Tehelka“ seine Rolle öffentlichkeitswirksam aufgedeckt hatte, wählte ihn sogar die Mehrheit der Wähler – ohne Proteste der Weltöffentlichkeit – in Gujarat erneut ins Amt. Wen wundert es, dass weder der Weltrat der Hindus noch andere extremistische Hindu-Organisationen, sich auf der indischen Terrorliste finden.

Beobachter vermuten, dass ihre Organisationen mehrere Millionen Mitglieder zählen und gute Verbindungen in die indische Oberschicht haben.