Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Islamdebatten

„Die unglaubliche Schlichtheit dieses Erklärungsmusters muss man den Religionskriegern immer wieder vor Augen halten. Zudem darf man nicht die Relationen unterschlagen, wenn über die Straftaten von Migranten berichtet wird. Ein Beispiel: Die Zahl aller hierzulande bekannten Ehrenmörder mit (noch so diffusem) islamischem Hintergrund macht weniger als 0,01 Prozent der hier lebenden Namensmuslime aus. Dies systematisch zu verschweigen, heißt verleumden.“ (Till R. Stoldt, Die WELT)

Intellektuelle Schärfe lebt vom und wird geprüft im Streit. Nehmen wir an, dass Projekt sei also, dass Befürworter und Gegner der Muslime, das Wesen, die Rolle, die Bedeutung des Islam öffentlich debattieren, bliebe uns dann nicht nur zu sagen: „Warum eigentlich nicht?“ Wer seine eigene Sache liebt, schätzt und verkörpert, wird das Gespräch mit dem Gegner weiß Gott nicht fürchten müssen. Oft genug kann kluge Gegnerschaft dazu dienen, dass sie das Verständnis des Eigenen vertieft.

Aber natürlich gibt es eine Einschränkung, nämlich dann, wenn es gar nicht um den sportlichen Austausch der Argumente, sondern – mangels Respekt – eben nur um die jeweilige Diffamierung des Gegners geht. In diesem Falle dient der Gegner zur Schaffung eigener Identität und Wichtigkeit sowie hilft nur dem Übertünchen eigener Bedeutungslosigkeit. Ein Feind muss nach dieser reaktiven Lebensweise immer wieder neu erfunden werden.

Die „heißen“ Islamgegner sind zumeist nur in Stellung gebracht, um zu schießen; nicht etwa um zu verstehen. Sie fürchten deswegen das unmittelbare und leider auch das faire Duell. Sie bedienen sich der Mittel des unlauteren Wettbewerbs, assoziieren Willkürliches mit dem Islam, suchen extreme Einzelfälle – allein mit der Absicht, diese Extreme zur Diffamierung der Mehrheit zu nutzen. Oder aber, sie ernennen sich gar selbst zu „Experten“ und schreiben so – ohne wissenschaftliche Skrupel – die anerkannten Regeln des Islam einfach um.

Angesichts des heutigen hohen Ranges des Spektakels kann auch die „Islamismus“-Keule geschickt geschwungen werden. Genügt doch schon der geschickt lancierte Verdacht um einen „Islamisten“ zu schaffen, der dann lautlos und effektiv verbannt wird. Das Spiel ist hart, vergessen wir nicht, es geht schließlich um die ungeheure Macht zu definieren, was der Islam wirklich ist. Die Definitionshoheit in Sachen Islam lässt sich mit einem geschwächten oder eingeschüchterten Gegner natürlich viel leichter erringen.

Bei jeder intensiven Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit geht es auch um die klassische Frage der Waffengleichheit. Hier gelten objektive Regeln, die jeder schnell einmal prüfen kann. Hat der Islamgegner oder Islambefürworter die Massen- oder Panikmedien hinter sich? Wer bildet die Mehrheit in der Talkshow, wer darf wie lange reden und wer bestimmt das Thema? Wer sucht aus, wessen „Wort zum Freitag“ politisch korrekt ist? Wer ist – im nicht unwahrscheinlichen Fall der Grenzübertretung, im Austausch der Meinungen – im schlichtenden Rundfunkrat der Bundesrepublik vertreten und wer eben gar nicht?

Wenn wir davon ausgehen, dass Fairness und Spielregeln demnächst einvernehmlich geklärt sind, könnte man eigentlich mit dem öffentlichen Streit um den Islam loslegen. Allerdings, dass muss man einschränkend feststellen, hat nach der Meinung, zumindest vieler Muslime, dieses eigentliche Projekt der kommunizierenden Gesellschaft noch gar nicht begonnen. Es geht bisher kaum um die Kernanliegen des Islam und die Rolle der Millionen Muslime in Europa. Es geht – und manche sagen, dies sei der eigentliche Erfolg der „Islamgegner“ – selten überhaupt um die Botschaft des Islam. Wir diskutieren heute zumeist Marginalien. Kaum jemand spricht – soweit es um substantielle Aussagen des Islam geht – über das Wesen der Einheit, den Sinn der Existenz, den Glauben an das Schicksal, die Freiheit der Frau oder die Bedeutung von Wirtschaftsgesetzen im Islam.