Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Kölner Anti-Islam-Kongress

„O ihr Menschen, Wir haben euch von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Verbänden und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt. Der Angesehenste von euch bei Gott, das ist der Gottesfürchtigste von euch. Gott weiß Bescheid und hat Kenntnis von allem.“ (Qur'an 49:13)

Der Anti-Islam-Kongress einiger rechter Provinzgruppen in Köln ist natürlich gerade für Muslime möglicherweise eine Provokation. Dennoch sollten man sich hüten, sich auf das uns angebotene Freund-Feind-Spiel einzulassen. Die Gefahr ist klar: Man könnte auf Dauer ebenfalls eine ebenso traurig-negative Identität annehmen, die von der Existenz eines Gegners abhängt. Muslimen sollte dieses Spiel fremd sein, wenn auch schon einige Internetideologen von beiden Seiten den virtuellen Hahnenkampf annehmen.

Ruhe bewahren also. Wichtig ist, sich klar zu machen, dass die rechtskonservative Bewegung im Grunde am Ende ist. Nach der Verfemung der Ausländerfeindlichkeit, die nun unter einem neuen Arbeitstitel wiederbelebt werden konnte, zuckt die Bewegung noch ein wenig vor ihrem endgültigen Untergang. Wie alle Konservative betrauern, ist es ohne das Feindbild Islam unmöglich geworden, zu definieren, was die positive Essenz des Konservativismus oder Nationalismus im Zeitalter der Globalisierung eigentlich ist.

Die rechte Bewegung, die in Köln aufläuft, ist so provinziell wie geistig arm. Sie hat notwendigerweise kein wirkliches intellektuelles Profil oder Anspruch. Es gab nie ein Denken in Deutschland, dass mit dem Islam ein Problem hatte. Nietzsche mochte den Islam, Goethe bewunderte ihn, Rilke sehnte sich danach. Heidegger formulierte eine Sprachphilosophie, die nicht nur die Trinitätslehre ablehnte, sondern das Denken der Einheit ermöglichte.

Ich traf 1989, kurz vor der Wiedervereinigung, Ernst Jünger in Bilbao. Auf Initiative eines europäischen Muslims wurde der konservative Vordenker dort mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Von dem altersweisen Jünger konnte man tatsächlich zweierlei lernen. Zum Ersten, dass er auch auf schärfste Angriffe nie reagierte, sondern zumeist mit einem „Wenn Sie meinen, ja gut!“ antwortete. Zum Zweiten prägte er einen Satz, der die aktuelle menschliche Situation beschrieb und in ein geistiges Vakuum fiel: „Die alten Werte sind nicht mehr gültig, die Neuen noch nicht da“. Ernst Jünger war zweifellos das Ende einer konservativen Tradition, nicht etwa der Beginn.

Ich bin nach dieser Begegnung wenig später Muslim geworden. Ein Anfang. Zwei Jahre später sandte mich mein Lehrer auf die Pilgerreise nach Mekka. Ich erlebte dort die geistige Einheit von innerer und äußerer Erfahrung, die in Deutschland so nicht mehr zu finden war und darüber hinaus ein Weltbürgertum, wie es Goethe gefallen hätte. De facto war es auch der Beweis, dass der Schöpfer unterschiedliche, aber völlig gleichwertige, gleich wunderbare Menschen geschaffen hat.

Es ist bei Jünger und Heidegger nachvollziehbar, dass sie den ideologischen Grabenkampf und Parteiungen nach den Kriegserfahrungen nicht nur mieden, sondern zutiefst verachteten. Die Judenverfolgung, der Holocaust hat den Deutschen gezeigt, dass rassistisch motivierte Ideologie mitsamt der Fantasie einer Menschenherrschaft ins äußerste Verderben muss. Wer so die Schöpfung herausfordert, bekommt die passende Antwort. Man sollte auch heute nicht vergessen, unabhängig ob man Muslim ist oder nicht, dass jeder Nationalismus auch ein Rassismus ist.

In den frühen 90er Jahren haben wir in Weimar einige Konferenzen unter dem Eindruck der Balkankriege organisiert. Zu Gast waren Muslime aus Bosnien und dem Kosovo, die am eigenen Leibe verspürten, was es heißt, Opfer religiöser Verfolgung oder rassistischer Ideologie zu sein. Die Tragödien inmitten Europas sind hinlänglich bekannt. Uns Muslime muss man also nicht lange bitten, eine klare anti-rassistische Position anzunehmen.

Ob es einem passt oder nicht – Deutschland ist heute ein multikulturelles Land, die Zahl deutscher und deutschsprechender Muslime wächst stetig und damit der völlig legitime Anspruch auf eine Präsenz im öffentlichen Raum. Mit Volks- und Kulturromantik kann hierzulande niemand etwas anfangen. Im besten Fall gelingt es unserer konservativen Regierungspartei noch so etwas wie einen konturenarmen Wirtschaftsnationalismus zu moderieren.

Die Zeit der Wirkungskraft von Ideologien ist Gott sei Dank vorbei. Der Grund ist einfach: Das neue Jahrhundert steht nicht unter politischen Vorzeichen. Es sind ökonomische Lagen, Gesetze und Absichten, die unsere Bühne beherrschen. Obama und McCain – angeblich Gegner – müssen eins sein, wenn es um die Rettung des maroden amerikanischen Bankensystems geht. Auch in Köln geht es nicht um die Höhe von Minaretten oder Kirchtürmen, sondern eher darum, wie man eine lokale Kultur aufbaut, wenn die Bankentürmereien eines Tages über uns allen zusammenbrechen sollten.

Man wird einwenden, dass es doch auch muslimische Ideologen wie die Hamas, Hizbollah oder terroristische Gruppen gibt. Das ist nicht zu leugnen. Ihre Vertreter sind typische Kinder der Moderne, weil sie sich in tiefer Verblendung autorisiert glauben, das islamische Recht dem politischen Willen unterzuordnen. In dieser modernen Ideologie ist es verführerisch, einen ganzen Staat diesem einen Willen unterzuordnen und an die abgründig moderne Vision zu glauben, eine Welt ohne Feinde sei eine bessere.

Ein Islam in Europa, der ja in Köln mitentsteht, wird gegen Ideologen geschichtliche Erfahrung, aber auch Wissen um das islamische Recht entgegensetzen. Hierzu braucht es das ganze islamische Modell; Männer und Frauen, die gemeinsam den Dreiklang von Moschee, Markt und Stiftungen ins Werk setzen. Die Sorge um und die alltägliche Einladung an die Nachbarn ist dabei eine religiöse Pflicht. Die Moscheebauer haben nun die Chance, ihre ethnische Reduzierung auf das Türkische zu durchbrechen und einen Sammelpunkt aller Kölner Muslime zu bilden.

Mein Sohn, in der Stadt der deutschen Klassik geboren ist, hat einen türkischen Freund, mit dem er Fußball spielt. Beide sprechen deutsch und beide sind Muslime. Nach Ibn Al-'Arabi ist das Sprachvermögen die eigentliche Identität des Menschen. Deswegen sind die jungen Muslime in Deutschland natürlich genauso Europäer wie die in Köln auflaufenden Islamgegner. Wenn die Moschee in Köln fertig ist, werden wir gemeinsam zum Freitagsgebet dorthin gehen. Inscha'Allah. Es ist dieser Anfang, gegen den die rechte Bewegung nichts entgegenzusetzen hat.