Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Konzentration

„Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Metro sind mit verantwortlich dafür, dass Tausende von Arbeiter/innen in Entwicklungsländern zu Hungerlöhnen und unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen. Die genannten fünf größten deutschen Supermarktketten bedienen 70 Prozent des Marktes und nutzen diese Macht schamlos aus.“ (oxfam.de)

„Freie Marktwirtschaft“ ist ein Schlüsselwort unserer ökonomischen Ordnung und wird gerne zitiert. Auch hier gilt die einfache Grundregel: Je öfter man etwas rhetorisch anrufen muss, desto weniger ist davon noch wirklich da. In Wirklichkeit gibt es in vielen Schlüsselbereichen – zum Beispiel Energie oder Lebensmittel – kaum noch einen freien Markt, sondern vielmehr monopolisierte Distribution.

Der freie Markt, den der Islam propagiert, setzt voraus, dass jede(r) einen freien und gleichen Zugang zum Marktplatz hat. Das ökonomische Recht muss naturgemäß verhindern, dass es am Ende nur noch einen Anbieter gibt, der das Marktgeschehen dominiert, kleinere Anbieter schluckt und langfristig die Preise diktiert. Der Supermarkt – beispielsweise – dient einem großen Händler, der freie Markt hunderten kleinen Händlern. Der Supermarkt greift auf Dauer den freien Markt an und drängt kleinere Anbieter aus dem Markt.

Das ist keine graue Theorie. Die Konzentration im deutschen Lebensmittelhandel ist bereits heute weit fortgeschritten. Nach einer Untersuchung des Frankfurter Unternehmens Nielsen Trade Dimensions entfielen von dem Gesamtumsatz der Branche im vergangenen Jahr von 217 Milliarden Euro rund 86 Prozent auf nur noch zehn Unternehmen. Die Top 30 kämen auf einen Marktanteil von 97,5 Prozent. Für die übrigen mehr als 80 Lebensmittelhändler bleibe nur ein Anteil von 2,5 Prozent.

Die Folgen dieser Marktkonzentration sind zahlreich. Das ARD-Magazin Plus-Minus hat in einer Stichprobe in der Woche vom 18. bis zum 23. Februar 2008 Preiserhebungen in drei Supermärkten und drei Discountern durchgeführt. Die Supermärkte bzw. SB-Warenhäuser waren Real, Rewe und Kaufland. Bei den Discountern waren es Aldi, Lidl und Plus. Dort wurden 20 Produkte des täglichen Bedarfs in einen Stichprobenwarenkorb eingepackt.

Das Ergebnis war verblüffend. Fast alle Artikel aus dem Warenkorb kosteten fast überall gleich viel. Allein bei elf der Waren gab es eine 100-prozentige Preisübereinstimmung. Bei sechs Artikeln hatten fünf Anbieter die gleichen Preise und nur einer, Plus, war teurer als die anderen. Bei drei Produkten gab es abweichende. Unterm Strich führte das dazu, dass die 20 Produkte in vier von sechs Märkten (Lidl, Rewe, Real und Kaufland) zum Einheitspreis von rund 14,90 Euro angeboten worden sind.

Die Erklärung des Phänomens liefert „Plus-Minus“ auch: „Nach Aussage des Einzelhandelsexperten James Bacos kann man das Ergebnis unserer Stichprobe auf das gesamte so genannte Einstiegspreissortiment übertragen. Dazu gehören alle Artikel, die in Aldi-Märkten angeboten werden. Das Kopieren dieses Sortiments durch die klassischen Supermärkte ist eine Reaktion auf den Angriff der Lebensmitteldiscounter Anfang der 90er Jahre. Damals eroberten sie die Herzen der Deutschen. Der Umsatzanteil stieg innerhalb der zehn Jahre zwischen 1990 und dem Jahr 2000 von 24 auf 34 Prozent. Um diesen Trend zu stoppen, entwickelten die Handelskonzerne Eigenmarken für das sogenannte Preiseinstiegssortiment. Dort bieten sie seither all das an, was auch die Discounter anbieten, und zwar auch auf Dauer zum Tiefpreis.“