Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Kosovo

„Damit endet Jugoslawien definitiv.“ (Dusan Janjic, Belgrader Politologe)

Die Unabhängigkeit Montenegros ist das Ende aller großserbischen Träume. Die Signalwirkung ist klar: Auch der Kosovo wird unabhängig werden. In Pristina ist die Entschlossenheit zu spüren, dass eine gemeinsame, staatliche Zukunft mit den Serben nicht denkbar ist. Die Muslime in der Region sind dabei ein wichtiger Faktor, dass der radikale Nationalismus in Zukunft auf keiner Seite eine Chance hat. Das Kernproblem aller auf dem Balkan lebenden Menschen ist sowieso ökonomischer Natur: Die Arbeitslosigkeit im Kosovo beträgt zum Beispiel bis zu 70 Prozent.

Natürlich lebt auch die islamische Gemeinschaft mit bescheidenen Mitteln. Der Mufti des Kosovo, Naim Trnava, sitzt zwar in einem relativ neuen Gebäude; die Mittel der Gemeinschaft sind dennoch eher bescheiden. Auf dem Land verdient ein Imam im Kosovo vielleicht 150 Euro im Monat. Die muslimische Gemeinschaft war aber nicht immer arm. In den Archiven hat die Gemeinschaft umfangreiche Unterlagen über den alten Besitz der Stiftungen ausgegraben. Der Mufti hofft, dass diese Besitztümer den Muslimen eines Tages zurückgegeben werden.

Die Verhandlungen in Wien sind nun in der entscheidenden Phase. In Mitrovica kann man heute die letzte geteilte europäische Stadt besichtigen. Die Stadt wird durch den Fluss Ibri in zwei Hälften geteilt; auf der einen Hälfte leben Serben und eine kleine Enklave Bosnier, auf der anderen Seite die Albaner. Die moderne Brücke zwischen den Stadtteilen wird kaum benutzt. Nur die Friedhöfe folgen nicht der Logik der ethnischen Teilung: der muslimische Friedhof befindet sich auf der serbischen Seite, der orthodoxe Friedhof auf der albanischen.

Auf dem Rückweg von Mitrovica fährt man durch das berühmte Amselfeld. An dem Denkmal für die sagenumwobene Schlacht zwischen Osmanen und Serben hatte Milosevic in den späten 1980er Jahren den nationalistischen Wahn losgetreten. Heute bewacht ein Kontingent slowakischer Soldaten den schlichten Turm. Nur ein Kilometer weiter befindet sich das Grabmal von Sultan Murat. Eine alte Frau hält die Tradition ihrer Familie wach und „bewacht“ die gerade mit türkischem Geld frisch renovierte Anlage. Für diesen Dienst an der Geschichte wurde sie noch vor einigen Jahren von den Serben davongejagt und ihr Mann verprügelt.

Bei meinem Besuch im Kosovo war ich überrascht, wie schön dieses kleine Land, eingerahmt von schneebedeckten Bergen, eigentlich ist. Vor allem Prizren ist eine Perle des Islam in Europa. Überall wird Deutsch gesprochen. Die starke Präsenz der Bundeswehr ist in der schönen Stadt nicht zu übersehen. Die Armee hat bei Muslimen und bei der Stadtverwaltung einen ausgesprochen guten Ruf. Man ist gegenüber den Deutschen dankbar. Die Erinnerungen an die serbischen Aggressionen sind noch frisch, und darüber hinaus haben die Soldaten ohne große Worte die marode Infrastruktur der Stadt repariert.

Die Stationen im einzelnen:

– 1918 Proklamation des ersten jugoslawischen Staates unter dem serbischen Königshaus.

– 1941 Auflösung nach deutschem Angriff und Besetzung im Zweiten Weltkrieg.

– 1944 Befreiung des Landes durch die kommunistischen Partisanen von Josip Broz Tito und die Sowjetarmee.

– 1945 Ausrufung der kommunistischen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien.

– 1980 Tod des Staats- und Parteichefs Tito.

– 1990 Zerfall des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens als Klammer durch Auszug Sloweniens.

– 1991 Slowenien, Kroatien und Mazedonien scheiden aus Jugoslawien aus und werden selbstständig.

– 1992 Bosnien-Herzegowina erklärt sich für unabhängig. Im selben Jahr Gründung der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) als verbliebenes Jugoslawien.

– 2003 Umwandlung der Bundesrepublik Jugoslawien in die Staatengemeinschaft Serbien-Montenegro.

– 2006: Montenegro stimmt für Trennung von Serbien und die eigene Unabhängigkeit.