Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Politik

Wie ist es möglich, Informationen über die Welt und über die Gesellschaft als Informationen über Realität zu akzeptieren, wenn man weiß, wie sie produziert werden?“ Niklas Luhmann

Es gilt als Allgemeingut, dass wir in einem Zeitalter leben, das eher durch die Gesetze der Ökonomie als durch politische Logik gekennzeichnet ist. Politik ist heute mehr Verwaltung als Entscheidung, die politische Debatte dreht sich zumeist entweder um die Verschärfung von Gesetzen oder die Höhe diverser Steuern, oder aber es gibt kurzzeitige Rückfälle zum Freund-Feind-Schema, indem ein Politiker sich rhetorisch profiliert, weil er sich gegen die Feinde der Gesellschaft stellt.

Positiv betrachtet ist der Rückzug des Politischen aber auch verantwortlich dafür, dass die Phase verheerender Nationalkriege zumindest in Europa zu Ende ging. Auf der globalen Ebene existiert der Krieg weiter als geopolitischer Kampf um Energieressourcen oder aber als militärischer Humanismus. Optimisten sehen in einer Weltregierung, die das gewaltige ökologische Problem der Erde löst, das nächste logische Ziel der Entpolitisierung der Nationen.

Der Entzug des Politischen treibt auch seltsame Blüten. Kinder in der Wahlkabine sind nach Ansicht des Berliner FDP-Vorsitzenden Markus Löning längst überfällig. „Kinder haben bisher keine Stimme in der Politik“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete heute der „Berliner Zeitung“. In Amerika zeigt sich, dass man zumindest mit einem kindlichen Gemüt weit nach oben kommmen kann. Arnold Schwarzenegger dokumentiert eindrucksvoll die Dynamik der amerikanischen Politik, die Scholl-Latour als Plutokratie definiert, im „Spiegel“:

„SPIEGEL: Es sieht so aus, als ob die Amerikaner am ehesten Hillary Clinton diese Aufgabe zutrauen. Frau Clinton als Präsidentin würde bedeuten, dass sich zwei Politikerfamilien fast ein Vierteljahrhundert die Macht wechselseitig teilen: George Bush senior, Bill Clinton, George W. Bush und Hillary Clinton.

Schwarzenegger: Das ist leicht zu verstehen. Der Name spielt eben eine große Rolle. Es ist wie damals bei den Kennedys. Kennedy, Bush, Clinton – die Wähler erkennen diese Namen einfach wieder. Sie wissen nicht immer so genau, wofür die konkrete Person steht, aber sie erkennen den Namen. Während des Wahlkampfs von George W. Bush im Jahr 2000 gab es viele Leute, die glaubten, Bush senior würde wieder kandidieren. Sie wussten gar nicht, dass sie es mit Bush junior zu tun hatten.“

Nicht nur in den USA, sondern auch in den europäischen Mediokratien, deren wir uns heute gegenübersehen, ist der Einfluss auf Medien entscheidend. Der Besitz von Medien verkörpert heute beinahe die alte klassische Macht. Auch hier gilt allerdings zunächst ein eisernes ökonomisches Gesetz: alle Medien hängen entscheidend von Werbeeinnahmen ab. Die Kritik am „Kapitalismus“ durch die Medien ist daher recht handzahm, auch fatale Fehler sind nie systembedingt, sondern allenfalls bedauerliche „Betriebsunfälle“.

Der Soziologe Bernd Hamm spricht (TP vom 2.01.2008) nun gar von einer zunehmenden „Ideologisierung von Medien“:

„Auf weite Strecken kann man sagen, dass die redaktionellen Teile dazu dienen, der Werbewirtschaft die entsprechend selektierten Publika anzuliefern. Das aber hat zur Folge, dass sich alle Medien heute durchgehend an den Einstellungen und Wünschen der kaufkräftigen Mittelschicht orientieren. Deshalb ist die Medienbotschaft insgesamt homogener und eintöniger geworden, obgleich die äusserliche Vielfalt des Medienangebots kaum noch zu überblicken ist.“

Hamm hatte schon 1962 den Begriff der „Bewußtseinsindustrie“ eingeführt. Die Idee, dass die Medien Macht kontrollieren, wurde für ihn schon zu einem frühen Zeitpunkt immer fragwürdiger, weil – so Hamm – die Medien zunehmend selbst zur Macht gehören. Das folgende Zitat Hamms klang schon damals recht nüchtern:

„Die Bewusstseinsindustrie wird uns schon in der allernächsten Zukunft nötigen, von ihr als einer radikal neuen, mit den Massen ihrer Anfänge nicht mehr zu bestimmenden, rapide zunehmenden Macht Notiz zu nehmen. Sie ist die eigentliche Schlüsselindustrie des zwanzigsten Jahrhunderts“. „An die Stelle der materiellen tritt die immaterielle Verelendung, die sich am deutlichsten im Schwinden der politischen Möglichkeiten des einzelnen ausdrückt: einer Masse von politischen Habenichtsen, über deren Köpfe hinweg sogar der politische Selbstmord beschlossen werden kann, steht eine immer kleinere Anzahl von politisch Allmächtigen gegenüber. Dass dieser Zustand von der Majorität hingenommen und freiwillig ertragen wird, ist heute vielleicht die wichtigste Leistung der Bewusstseinsindustrie“