Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Sichere Häfen

In meinen Studentenzeiten waren selbstgemachte Zigaretten in. Schon aus Kostengründen war eine regelmäßige Eigenproduktion angesagt. Heute sind die Zigaretten natürlich passé, allerdings erscheinen manchmal sogar in den Randbereichen der Existenz denkwürdige „Botschaften“, die auf ihre Weise nachhaltig wirken. Auf der Schachtel mit dem weißen Zigarettenpapier gab es damals einen Slogan, der mir immer wieder werbend ins Auge stach: „Schiffe ihm Hafen sind sicher, aber dafür wurden Schiffe nicht gebaut.“

Einen ähnlich anmutender Sinnspruch findet sich, wie ich in Kapstadt erfahre – bei dem Römer Pompeius. Der berühmte römische Soldat und Feldherr soll sich im Jahr 56 v.Chr. auf Sardinien um die Getreideversorgung Roms gekümmert haben. Als ihn Seeleute vor einem aufkommenden Sturm warnten, der sein Leben unmittelbar gefährden könnte, ging Pompeius völlig unbeeindruckt an Bord, befahl dennoch die Fahrt auf die offene See und rief: „Dass wir segeln, ist notwendig, dass wir leben, ist nicht notwendig.“

Natürlich leben wir nicht in diesen Zeiten und das Symbol von „Booten auf gefährlicher Fahrt“, die den sicheren Hafen verlassen müssen, um auf dem rechtlosen Ozean einer vermeintlich besseren Welt entgegenzufahren, erinnert eher an das tragische Geschehen vor Lampedusa. Dennoch müssen wir uns heute vor der Gefahr hüten – unter dem Eindruck einer durch die Medien gewaltig hereinstürzenden Welt –, unseren geistigen und spirituellen Mittelpunkt ausschließlich ins Innere oder ins Private zu verlegen.

Die „reisende, tätige, gestaltende, versammelnde“ Persönlichkeit, die sich nicht nur passiv zurückzieht, sondern in das äußere Geschehen eingreifen will, wird immer ihre Daseinsberechtigung haben. Als positiver Charakter, der aufbauen und nicht etwa nur zerstören will, hat er in einer Zeit, in der die „Wüste“ wächst, vorbildlichen und immer auch spirituellen Charakter. Wenn er Muslim ist, pflanzt er einen Baum, baut eine Moschee, gründet eine Stiftung oder erhebt die Zakat.

Goethe bekennt sich mit folgenden Worten gegen eine Philosophie des Rückzuges und der Abkehr von der Welt: „Hierbei bekenne ich, daß mir von jeher die große und so bedeutend klingende Aufgabe: erkenne Dich selbst immer verdächtig vorkam, als eine List geheim verbündeter Priester, die den Menschen durch unerreichbare Forderungen verwirren und von der Tätigkeit gegen die Außenwelt zu einer inneren Beschaulichkeit verleiten wollten. Der Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich nur in ihr gewahr wird.“

Goethe plädiert so für einen Menschen, der eine „Gestalt“ hat und seinen Mittelpunkt weder nur im Innern, noch nur im Äußeren hat. Es ist wichtig, dass er im offenen Gespräch die Welt erkennt, in der er lebt und die seinen inneren Zustand bedingt. So offenbart sich hier und jetzt der Sinnzusammenhang. Es ist also bemerkenswert und eben nicht zufällig, dass wir heute immer mehr über Theologie und immer weniger über Islam hören.

Unser Iman und unser Islam können nicht repräsentiert werden. Sie zeigen sich in unserer Alltäglichkeit, in der Wirkung, im jedem Tag tätiger, islamischer Lebenspraxis und natürlich auch im gemeinschaftlichen Engagement, dass kein abstraktes Vereinsleben jemals ersetzen kann.