Islam ist längst ein Politikum in Deutschland. Das lernt man spätestens bei der Berichterstattung über die Islamkonferenz und die Debatte über den „politischen“ Islam. Schaut man sich bei google.de die „published opinion“ einmal näher an, dann fällt auf, dass es dutzende Artikel gibt, dass aber eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Argumente, die sich mit der Teilnahme an der Konferenz selbst beschäftigen, in den Medien nicht (mehr) vorkommt. Das allgemeine Phänomen, dass man nun beobachtet, ist zeitgemäß, es heißt „Personifizierung“ der Politik, das heißt, wichtiger als lästige Inhalte sind nun die Personen.
Praktisch ohne Gegenrede wird auch in den Mehrheitsmedien das „Diktat von Oben“ (Kermani), das den Geist der Konferenz ja irgendwo kennzeichnet, akzeptiert. Der Staat reicht den „unaufgeklärten“ Muslimen die Hand – wer diese Hand gar ausschlägt, wird nicht nur in das konservative Lager eingewechselt, sondern dem wird auch keiner mehr helfen. „Angst essen Seele auf“, so kommt es einem vor, blickt man nun in die ratlosen Gesichter der letzten, nicht zu beneidenden „Islampolitiker“.
Man betrachte aber die Zwangsehe „Politik“ und „Islam“ näher:
Allein wichtig, auch in den Medien, ist nun die Präsentation eines neuen, absolut politischen Islam, den es nun nur noch in zwei unversöhnlichen Varianten gibt; nämlich als „konservative“ und als „liberale“ Denkrichtung, mit jeweils als „liberal“ und „konservativen“ geltenden Vertretern. Der Staat moderiert dankenswerterweise den selbstzerfleischenden Vorgang und definiert die Zeichen, die in der Leitkultur als „liberal“ oder „konservativ“ gelten sollen. Achtung: Wer nicht nur Prügelknabe sein will oder seinen Job behalten muss oder auch nur ein wenig mit dem Hype schwimmen will, wird sich nun für die „liberale“ Schule entscheiden müssen! Und: der Druck wird natürlich enorm anschwellen, für alle Muslime, die sich „individualistisch“ definieren, zum Beispiel, weil sie aus guten Gründen den Islam nicht Funktionären überlassen wollen, aber sich nun alleine ins Getümmel stürzen müssen.
Bekennen, beten, zahlen, fasten, pilgern: Natürlich bleibt verschwommen, wie man den Islam künftig „konservativ“ oder „liberal“ praktizieren soll, es sei denn, man betrachtet das einzige denklogische Ende der politischen Dialektik: denn eines Tages ist das Praktizieren selbst „konservativ“ und das Nichtpraktizieren „liberal“. Folgerichtig verhandelt der Staat auch heute schon mit – natürlich „liberalen“ – Islamgegnern. Man mache sich auch über die gesellschaftliche Dynamik (Funk und Fernsehen) des Integrationsprozesses bitte nichts vor: diejenigen, die heute noch als „liberal“ gelten, sind morgen schon die neuen „Konservativen“.
Kann man den Islam überhaupt unter diesem ernormen politischen Druck in seiner Substanz verteidigen?
Wenn es einen echten Grund gibt, der Konferenz fern zu bleiben, dann ist es genau diese zwanghafte Politisierung der Konferenz, aller TeilnehmerInnen und des Islam. Islam ist mehr als Politik. Hierzu noch ein Lehrsatz: Jeder politische Islam setzt seine Machenschaften, so oder so, höher, als es ihm die Grenzen des islamischen Rechts eigentlich erlauben. Vor politischen Extremen, so oder so, werden daher Muslime nicht von Politikern, wohl aber von unbestechlichen Gelehrten geschützt.
Aber es gibt auch Lichtblicke, eine wachsende Schar muslimischer, jüdischer und christlicher Intellektueller, die allmählich den totalitären Zug des Integrationsprozesses, zugunsten einer seelenlosen Konsumentengesellschaft, selbst erkennen.
In Berlin hat mir neulich ein Diplomat eine Geschichte erzählt, deren Wahrheitsgehalt ich natürlich nicht kenne. Die Geschichte geht so: Die CDU-Vorsitzende Merkel hat in Berlin die stärker werdende Arbeitsgruppe „Christen in der CDU“ empfangen. Diese Gruppe möchte christliches Gedankengut wieder stärker in die CDU einbringen. Man dachte, man würde nun über diese Inhalte sprechen, es sprach aber nur die Parteivorsitzende. Sie strafte die Gruppe in einem Monolog nur rüde ab und schickte die sprachlosen Christen wieder weg. Vielleicht ist die Geschichte unwahr, aber man kann sie sich irgendwie gut vorstellen.