Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Ägypten hält den Atem an

Eine Militärdiktatur, die altbekannte Lösung der arabischen Welt, hat in Kairo wieder ihren Platz in der Geschichte gefunden. In Ägypten zeigt sich, dass auch der Säkularismus eine der Formen moderner Ideologien sein kann, die die Demokratie nur als eine Unterfunktion akzeptiert und im Ergebnis die völlige Kontrolle des Staates anstrebt. Natürlich lässt die neue Rolle des Militärregimes noch einige Fragen offen. Ein Jahr lang sah es so aus, als ob die USA – die das anti-demokratische Militär über Jahrzehnte aktiv mitfinanzierte – mit der Lösung Muslimbruderschaft gut leben könne. Man kann nur spekulieren ob die Amerikaner den aktuellen „Regimewechsel“ so wollten, oder ob die Militärs mehr oder weniger eigenmächtig das, aus ihrer Sicht drohende Chaos zu verhindern suchten.

Die Bewegung schien für die Amerikaner eine Zeit lang durchaus ein möglicher Partner. Sie bündelte immerhin – zumindest scheinbar – die muslimische Energie des Landes und hatte sich gleichzeitig nicht wirklich an den Umbau der bestehenden ökonomischen Verhältnisse herangetraut. De facto hatte die Regierung Mursi ja einen neoliberalen Kurs gefahren und auch schon mit dem IMF über neue Kredite verhandelt. Die ökonomische Position der Militärs im Lande, die große Teile der Wirtschaft kontrollieren, blieb sowieso unberührt. Der Preis der Macht eben.

Die Muslimbrüder scheiterten wohl schlussendlich an einem alten Missverständnis und an ihrem Glauben daran, die Übernahme der Regierung sei schon die Übernahme der Macht. Während die Bürger Europas sich zunehmend kritisch über die Allmacht des Staates – den sterblichen Gott, wie Hobbes einmal sagte – sind, wollten die muslimischen Politiker diese Staatsmacht einfach für sich einnehmen. Es fehlte auch an der nötigen Klarheit, der breiten Bevölkerung zu zeigen, dass eine «islamische Diktatur» denkunmöglich ist. Die Anhänger der Muslimbrüder wiederum dachten, die «Revolution» könnte an die politische Klasse delegiert werden und der Wandel würde dann automatisch von oben nach unten funktionieren.

Fakt ist, die hierzulande vielbesungene «islamische» Politik der Partei hatte gerade in der entscheidenden Wirtschaftspolitik – sieht man mal vom Konzept des ethischen Banking ab – keine echte Resonanz gefunden. Die alten, dem Grunde nach zeitlosen Zusammenhänge zwischen Moschee und Markt, Geld und Zakat, Handel und Wandel blieben sowieso unverstanden. Das Wissen, wie das moderne Problem der Inflation zu lösen ist, die die Landeswährung seit Jahrzehnten beherrscht, hatte Mursi nie. Jetzt gehen wieder die Politiker, die alten Oligarchen des Landes bleiben wie gewohnt.

Ägypten und die Welt hält nun den Atem an. Die schlimmste Option wäre ein Abdriften von bedeutenden Teilen der muslimischen Bewegung in die Radikalität, dann drohen sogar algerische Verhältnisse. Viele Unterstützer der Muslimbrüder wollen gottlob keinen Bürgerkrieg. Sie sind aber heute desillusioniert und fragen sich, ob sich das Engagement der Partei in der neuen Demokratie wirklich auszahlt.

Wer immer nun das Ruder im Land übernimmt, er sieht sich angesichts des Elendes des Landes baldigen neuen «Brotaufständen» ausgesetzt. Die Lösung könnte für eine neue Regierung dann nur lauten, neue Kredite im Ausland aufzunehmen. Das Dilemma des defizitären Staates bleibt. Es steht also nicht nur schlecht um die Demokratie, sondern auch die Souveränität des Landes gegenüber seinen Gläubigern rückt in weite Ferne. Ohne eine ökonomische Strategie steht Ägypten vor dem Zerfall.