Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Albert Camus

„Die Werke eines Menschen widerspiegeln oft die Geschichte seiner Sehnsüchte oder seiner Versuchungen, doch fast nie seine eigene Geschichte»“ (Albert Camus)

Schriftsteller und ihre großen Werke lassen sich oft eigenen Lebensabschnitten zuordnen. Im Jahr 1989, kurz bevor ich Muslim wurde, gehörte der Franzose Albert Camus zu der kleinen Schar Heroen, die man damals mit einiger Überzeugung las. Der Trost, der sich aus dem Werk ziehen ließ, fiel allerdings eher bescheiden aus. Immerhin – so führte Camus für den Leser aus: „wir müssen uns Sysyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

Camus, der auf Bildern ein bisschen wie Humphrey Bogart wirkte, erlangte einigen Respekt für eine Haltung, die versuchte, wenigstens eine echte Konsequenz aus einer „Welt ohne Gott“ zu ziehen und – mangels eines offenbarten glaubwürdigen Nomos – allein zum Sinn und Unsinn der Revolte aufrief. Der Sinn des Daseins lag für Camus nicht etwa in der Erfahrung und Entdeckung der Einheit, dem eigentlichen Wunder der Schöpfung, sondern allein im Revoltieren selbst. Der Existenz blieb nichts anderes, als die Heimstätte eines „zu lebenslangem Gefängnis“ verurteilten Menschen zu sein, der im Mitsein mit Anderen, nach den verbliebenen Regeln des Anstands und der Solidarität sucht.

Letztendlich aber, so die radikale Seite im Denken Camus, sei die einzige wirklich sinnvolle Frage für den im Nihilismus Philosophierenden die Frage nach dem eigenen „Selbstmord“. Natürlich konnte Camus nicht alle abgründigen Möglichkeiten menschlich-allzumenschlicher Revolten, wie die ebenfalls im Nihilismus wohnenden Perspektiven von „Politik und Selbstmord“, absehen. Heute revoltieren verirrte Muslime mit ihren selbstmörderischen Taten gegen die Gesellschaft und den Schöpfer gleichermaßen.

Heute bewundern noch immer Millionen seine Werke, darunter erstaunlicherweise – man könnte auch sagen, absurderweise – der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der kürzlich sogar vorschlug, das Grab des Schriftstellers anlässlich seines 50. Todestages in den Pariser Ruhmestempel Panthéon zu überführen. Eine Vereinnahmung, gegen die sich Camus nun nicht mehr wehren kann.

Camus liebte mehr als alle Ehrungen die Position zwischen allen Stühlen. Er kritisierte den deutschen und spanischen Faschismus ebenso wie die Lager in Stalins Sowjetunion. Als Chefredakteur der illegalen Widerstandszeitung «Combat» blieb er unbequem, er verurteilte den Atombombenabwurf der „Humanisten“ über Hiroshima und die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes 1956 durch die Sowjets. Wegen seiner antikolonialen Position im Algerienkrieg wurde er schließlich aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen.

Camus war zweifellos ein Aktivist aber auch ein politischer Kopf, der Lagerdenken und Ideologien ablehnte. Im heutigen entfesselten und zerstörerischen Kapitalismus, der die alten Ideologien längst integriert hat und die menschliche Solidarität aufzulösen droht, hätte er wohl nichts anderes als die moderne „Pest“ gesehen.

Die Welt ist nicht anderes als ein Spiegel; diese Einsicht galt übrigens auch für Albert Camus selbst. Für Camus war nicht nur das Leben generell absurd, auch sein eigener Tod vor 50 Jahren hätte nicht widersinniger sein können. Das Auto, in dem der 46-jährige Schriftsteller und Philosoph am Nachmittag des 4. Januar 1960 als Beifahrer saß, fuhr auf gerader Strecke auf dem Weg nach Paris gegen den einzigen Baum weit und breit – ein Hinterreifen war in jenem Augenblick geplatzt. Das Schicksal nahm ihm so die souveräne Entscheidung über seine eigene Existenz ab.

Camus stammte aus armen Verhältnissen und wurde 1913 im algerischen Mondovi als Sohn eines Kellereiangestellten und einer Putzfrau spanischen Ursprungs geboren. Sein Vater starb ein Jahr nach seiner Geburt im Ersten Weltkrieg. Als Kulisse seiner Bücher dient häufig die algerische und mediterrane Landschaft, die ihm ein Leben lang sehr viel bedeutete. Muslime kommen in seinen Büchern selten vor. Zwischen Camus und dem Islam, der als eine Option vielleicht aus dem Existentialismus der Vereinzelung herausgeführt hätte, blieb zeitlebens ein trennender Schleier.