Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

„Die letzten Deutschen“

Es gibt sie noch, die klugen Köpfe unseres Landes; fähig zur Differenzierung und in keiner geistigen Abhängigkeit zu einer dumpfen Dialektik argumentierend. Das ist angesichts großer Fragen und Herausforderungen auch gut so.

Im SPIEGEL erklärt sich zunächst der Schriftsteller Botho Strauß zum „letzten Deutschen“. Einem Landsmann also, der sich in der Überlieferung der großen Literatur des Landes sieht und sich selbst als einer der letzten Beitragenden, zu den spärlich gewordenen Feierstunden der deutschen Sprache, versteht.

Der Schriftsteller ruft nach der Verteidigung einer Identität, die noch einen „Geistesfunken außerhalb von Wirtschafts- oder Geldpolitik“ in sich trägt.

Er hat Sorge, dass eine „Flutung des Landes mit Fremden eine Mehrzahl solcher bringt, die ihr Fremdsein auf Dauer bewahren und beschützen“. Etwas spöttisch wirft der Dichter die Frage auf: „Nun, was kann den Deutschen Besseres passieren, als in ihrem Land eine kräftige Minderheit zu werden?“

Der Islam erscheint Botho Strauß als eine Herausforderung. Er steht unter dem Eindruck der Muslime, die in der Moderne im „Kleid der Technik“ (E. Jünger) auftreten und in ihrer ideologischer Erscheinungsform äußerst brutal agieren. Den Muslimen an sich wünscht er aber weder einen Identitätsverlust, noch versteht er unter ihrer Säkularisierung ein Zeichen erfolgreicher Integration.

Strauß spricht nicht von Toleranz, wohl aber klingt in dem Text durchaus Respekt vor den Gläubigen an: „Was aber Überlieferung ist, wird eine Lektion, vielleicht eine Wichtigste, die uns die Gehorsamen erteilen.“

Die Möglichkeit „deutsch“ und „Muslim“ zu sein, scheint für ihn nicht wirklich denkbar. Geistig fehlen insoweit Anspielungen zu Goethe oder Nietzsche. Überhaupt eine Reflexion auf das islamische Einheitsdenken oder eine Beachtung der ökonomischen Seite der Offenbarung und ihre implizite Mäßigung der Finanztechnik, Sinnzusammenhänge, die sich aus der islamischen Überlieferung heraus verstehen lassen, den Philosophen im Dichter aber offenbar nicht ansprechen. Weiß er davon?

Im aktuellen SPIEGEL antwortet Nils Minkmar mit „Deutscher Zuversicht“ auf den Beitrag von Strauß. Minkmar steht auf ganz andere Weise unter dem Eindruck der Überlieferung. Er begrüßt die „Erosion der weltanschaulichen Bastionen“. Der Autor würdigt ein neues, politisch gefestigtes Deutschland und sieht in der „Prophezeiung einer baldigen Machtübernahme durch den totalitären Islam nur eine Fortschreibung deutscher Paranoia“.

Während Strauß die deutsche Geistesgeschichte verteidigt („zum Missbrauch kann alles dienen!“), sieht Minkmar die Überlieferung durch „Antisemitismus, Militarismus und Hass auf westliche Werte“ vergiftet.

Die Suche nach einer deutschen Identität ist für ihn nur noch eine Art Phantasterei. Damit sei endgültig die Zeit gekommen, „den Staatsbürger endgültig unabhängig von der Abstimmung zu definieren“. Mehr noch: Für Minkmar blüht die (politische?) Kultur, während er Strauß am Rande, in einer „privaten Privatrechtsgesellschaft“ verortet. Der fundamentale Gegensatz zum Verehrer der deutschen Nationalliteratur gipfelt wohl in dem Satz: „Große Männer sind weder gefragt, noch nötig.“

Nils Minkmar beruhigt es, dass weder große Geister, noch Dichter, sondern Bürger das Land übernommen haben, die ihre Tatkraft gerade in der Flüchtlingskrise bewiesen hätten. Natürlich hat er Recht, dass die Rolle des Bürgers als „ehrenamtliche Helfer“ gebührenden Lob finden sollte. Inwieweit der Bürger allerdings seine Position und sein Recht in der Atmosphäre der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte und unter dem Eindruck rasanter technischer Innovation bewahren kann, wäre eine andere Frage.

Für Minkmar stünde jedenfalls am Besten die Zeit still und alles bliebe, wie es ist. Bleibt es?