Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

„Die neue alte Dinarwelt“

In der Ausgabe des Magazins GEO Epoche über „die Wikinger“ steht es schwarz auf weiß: „bis zu 100 Millionen arabische Münzen schaffen die Wikinger nach Norden, mehr als 80000 sind allein in Schweden gefunden worden“. Die als raue Anti-Christen verschrieenen Heiden hatten auf ihren Marktplätzen offensichtlich kein Problem mit dem Symbol des Glaubens aus dem fernen Osten. Auf abenteuerlichen Wegen hatten die kleinen Boote der Wikinger die fernen islamischen Städte bis nach Bagdad erreicht. Über Jahrhunderte hatten Münzen aus der islamischen Welt eine völkerverbindende Funktion.

Sucht man heute mit „google“ nach dem Islamischen Dinar, finden sich über 2 Millionen Einträge. Tausende Internetseiten diskutieren Nutzung, Vertrieb und Einsatz der traditionellen islamischen Währung. Die berühmte 4,25 Gramm schwere Münze aus Gold schien mit dem globalen Siegeszug der FIAT-Währungen aus dem islamischen Bewusstsein gedrängt. Gold- und silbergedeckte Währungen hatten den Ruf, altmodisch zu sein und die Zeichen der Zeit zu verkennen. In Zeiten absehbarer Inflation und verbreiteter Ungerechtigkeit durch Währungsspekulationen ändert sich dies. Seit der Schulden- und Bankenkrise erinnern sich Muslime wieder zunehmend an den Sinn ihrer alten Maßeinheit. Die Erinnerung tut not, denn der Dinar ist als Einheit auch mit der Zahlung der Zakat verknüpft.

Die Standardisierung des Gewichts und die Feinheiten der Wechselkurse der Einheiten waren praktisch immer, auch im muslimischen Alltag, mit der Notwendigkeit einer korrekten Zahlung der Zakat verknüpft. Zur Zeit Umars wurde ein festes Standardgewicht der zu dieser Zeit benutzten Münzen ermittelt, gerade eben auch um die Zakat besser berechnen zu können. Abdulmalik hatte dann später in einer wichtigen Währungsreform die Münzprägung in muslimische Hände genommen und eine eigene Münzprägeanstalt etabliert. Ibn Khaldun widmet in seiner berühmten „Muqqadima“ der Prägung von Münzen ein eigenes Kapitel.

Die neue „Dinarwelt“ wird heute von hunderten voneinander unabhängigen Akteuren mit neuem Leben erfüllt. Grundsätzlich kann jede islamische Autorität an jedem Ort der Welt, mit völlig unterschiedlichem Design, einen neuen „Dinar“ in Umlauf bringen. Die führenden Hersteller haben sich neben dem Gewicht und der Größe auch auf bestimmte Standards der Herstellung geeignet. So sind heute „Sicherheitsmerkmale“ auf den Münzen möglich, die man früher nicht kannte. Auf die Goldmünzen werden in einem aufwendigen Verfahren zum Beispiel Hologramme gespritzt, die das im Umlauf befindliche Geld fälschungssicher machen sollen.

Moderne Internet-Zahlungssysteme machen deutlich, dass das Bekenntnis zum Dinar keine „rückwärtsgewandte“ Romantik ist. Dinare sollen nicht etwa für das Museum geschaffen werden, sondern können heute wieder in „Waadias“ gesammelt, über „Waqalas“ vertrieben und mit den modernen Zahlungssystemen in alle Welt gesendet werden. Dinare als Basis einer potentiellen „Weltwährung“ können die Grundlage von Investmentvereinbarungen im Rahmen islamischer Verträge sein. Wichtig ist allerdings die zu jedem Zeitpunkt zu gewährleistende physische Existenz der Währung. Der Handel mit auf Papier gedruckten Zahlungsversprechen ist ausdrücklich nicht erlaubt. Das Zusammenspiel dieser diversen Einrichtungen macht im Islam auch ein Wirtschaftsmodell ohne klassische Banken denkbar.

Ob und wie man den “Dinar” nutzt ist also kein Politikum, es ist kein Indiz, ob man eine liberale oder konservative Weltanschauung hat, sondern der „Dinar“ ist nur die einfache Grundlage und Recheneinheit des islamischen Wirtschaftsrechts. Der Dinar ist wegen seinen unbestechlichen Eigenschaften heute wieder modern. Auf dem Markplatz kann der Dinar, wie von jeher, das Zahlungsmittel von Kaufleuten, Konsumenten, Händlern, natürlich auch von muslimischen Frauen, Juden und Christen sein. Der islamische Markt erlaubt die freie Wahl der Zahlungsmittel. Die Nutzer vertrauen dem Dinar dabei allein wegen seinem Gewicht und dem jeder Münze inne wohnenden Wert.

Der Dinar als Maßeinheit beschäftigt heute jede Philosophie, die in der Einführung des Papiergeldes, wie das Goethe schon voraussah, einen Schlüssel für den entfesselten Kapitalismus und damit die Gefährdung der Schöpfung sahen. Die Begrenzung der Macht der Technik und insbesondere der Finanztechnik, ist eine wichtige Dimension des islamischen Wirtschaftsrechts. Gerecht und im Konsens mit Jedermann zu handeln ist ein koranisches Gebot.

Es gibt inzwischen aber auch viele andere Motivationen, gold- und silbergedeckte Währungen einzuführen, alleine in den USA wollen 13 Bundesstaaten echte Münzen wieder als „Legal Tender“ einführen. In Deutschland sind dem Vertrieb von Dinaren oder anderen goldgedeckten, privaten Zahlungsmitteln praktische Grenzen gesetzt. Zwar kann man auch in Deutschland, wie ein Blick in das Münzgesetz und die Medaillenverordnung zeigt, sogenannte Medaillen produzieren, sie sind aber mit Mehrwertsteuer zu verkaufen und damit gegenüber staatlichen Münzen (Legal Tender) nicht wettbewerbsfähig. Inzwischen gibt es aber auch in Deutschland gewichtige Stimmen, so zum Beispiel der FDP-MdB Schäffler, die eine freie Wahl von Zahlungsmitteln ohne Benachteiligung gegenüber staatlichem Geld befürworten. Nach dieser Überzeugung kann nur durch einen fairen Wettbewerb der Zahlungsmittel verhindert werden, dass Staaten Unmengen schlechten Geldes in Umlauf setzen.