„Die Erklärung der Menschenrechte muß mithin als Ort angesehen werden, an dem sich der Übergang von der königlichen Souveränität göttlichen Ursprungs zur nationalen Souveränität vollzieht“ (Giorgio Agamben, „Homo Sacer“)
„Die Regierung hätte es verhindern können“ – unter dieser düsteren Überschrift behandelt ein Bericht der Organisation „Human Rights Watch“ die jüngsten Vorkommnisse in Burma. Das Muster von Gewalt und Gegengewalt, dass im Juli zwischen Muslimen und Buddhisten ausbrach, kann aber nicht von der Verantwortung der Regierung Burmas ablenken. Nur wenig ist bisher bekannt über die Jahrzehnte der Verfolgung dieser armen Menschen. Auch der neue HRW Bericht basiert nur auf der spärlichen Grundlage von 53 Interviews, spricht dabei von „nur“ 79 Toten nach den jüngsten Unruhen im Juli, während islamische Medien allein in diesem Monat von über tausend Opfern berichten.
Der Staat ist in diesem Konflikt Partei und nicht etwa neutraler Vermittler in einem regionalen Konflikt. In Burma wurde 1982 hochoffiziell eine ganze Bevölkerungsgruppe entrechtet, ihre Bürgerrechte aberkannt und damit ein bis heute funktionierendes, „legales“ System der Apartheid errichtet. In den siebziger und neunziger Jahren wurden bereits hunderttausende Muslime auf brutale Weise vertrieben.
Die Regierung Burmas, in Person des zwielichtigen Präsidenten Thein Sein, hat im Juli nicht nur erneut ein sogenanntes Ausnahmerecht ausgerufen, sondern – wie der HRW Bericht zeigt – auch aktiv zur weiteren Eskalation der Lage beigetragen. Am 12. Juli hat der Präsident in einer skandalösen Rede sogar die weitere Verbringung der Muslime in Lager gefordert und ihre Ausreise verlangt.
Es kann wenig Zweifel bestehen, dass es der Regierung um nichts Anderes, als der Vertreibung der Muslime aus dem rohstoffreichen Landesteil geht. An der Küste Arakans wurden milliardenschwere Gas-und Ölvorkommen gesichtet. Das Militärregime wandelt sich gerade mit Hilfe der Weltbank in einen autoritären kapitalistischen Staat. Der faschistoide Umgang mit Minderheiten spielt bisher im Umgang mit dieser Regierung keine entscheidende Rolle. Nicht einmal Aung San Suu Kyi, die weltbekannte Ikone der demokratischen Bewegung, die nun im Parlament sitzt, hat sich bisher zu den Ereignissen geäußert. Die EU hat im April die Lockerung ihrer Sanktionen gegen das Land beschlossen, ohne aber gleichzeitig das Ende der systematischen Diskriminierung der Minderheiten zu fordern. Westliche Staaten fordern bisher auch nicht eine schnelle Aufklärung über die tatsächlichen Opferzahlen in den Massakern des letzten Monats.
Das Schicksal der „Rohingya“, der muslimischen Minderheit in dem Vielvölkerstaat, nach Angaben der UN eine der „meistverfolgten“ Bevölkerungsgruppen der Welt, bestätigt so auf tragische Weise die Analyse Agambens, dass das Lager und das Hervorbringen des rechtlosen „nackten Lebens“ leider nicht im Widerspruch zum „Nomos“ der Moderne steht. Im Süden Bangladeschs leben seit Jahrzehnten zehntausende Muslime aus der Region in Lagern, die „Orte ohne rechtliche Ordnung“ sind. Erschütternde Bilder aus der Region zeigen nun erneut tausende Menschen, die als „Staatenlose“ keine Bürger mehr sind und sich mit kleinen Booten sogar auf das offene Meer flüchten müssen, allein um Tod und Verfolgung zu entgehen.