Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

„Experiment Papiergeld?“

Noch vor einigen Jahren wurde die Forderung nach Gold und Silber als Basis unserer Währungssysteme bestenfalls als „rückwärtsgewandte Romantik“ abgestempelt. Das moderne Währungssystem und seine Tempelberge aus virtuellem Papiergeld wurden als Bedingung für den „Fortschritt“ und eine neue Welt mit Wohlstand für alle verklärt. Kaum jemand fiel vor der Finanzkrise auf, dass wir freie BürgerInnen eigentlich alles wählen können, außer dem Geld, das wir täglich benutzen. Zudem musste die „moderne“ Gesellschaft, die sich mehr denn je um das Geld dreht, paradoxerweise feststellen, dass sie über ihre eigene Basis des Wirtschaftens, das Papiergeld, eigentlich nichts wusste. Langsam lichtet sich aber der Nebel.

Der „freie Markt“ wird heute nicht nur durch Monopole, sondern auch durch staatliches „Zwangsgeld“ ad absurdum geführt. Die Benutzung freier Gold- und Silberwährungen ist dabei in Europa, unter Anderem wegen der staatlichen Erhebung von Mehrwertssteuer auf Münzen, weder gewollt noch de facto praktikabel. In einem freien und wirklich liberalen Markt würden aber die Marktteilnehmer selbst über Ihre Währung, sei es Gold, Silber, Platin oder was auch immer, „fair“ bestimmen können. In einem solchen Markt würde der Mensch und seine Wirtschaft angehalten, Maß zu halten und allein dem Fortschritt der Realwirtschaft zu dienen. Selbstredend geht es den Befürwortern echter Währungen nicht um den absurden Versuch, zurück ins Mittelalter zu flüchten. Auch eine Goldwährung kann im Internetzeitalter flexibel umgesetzt werden, technisch sind Debit-Karten, Handy-Überweisungen oder Internet-Transferssyteme längst kein Problem mehr. Die Geldfrage, die den Menschen schon seit Jahrhunderten beschäftigt, entzieht sich in Wirklichkeit dem groben Gegensatz von Fort- und Rückschritt.

Viele Analysten sehen heute in der „Geldfrage“ das eigentliche Politikum dieses Jahrhunderts. An der Frage, welche Art Geld wir benutzen, nicht mehr an der alten Links/Rechts-Dialektik, entscheidet sich unser künftiges Konzept von Freiheit und Moral. Hier lösen sich auch Scheindebatten auf. In der Art wie man Geld schafft, ansieht oder einsetzt, bis hin zum unterwürfigen Glauben an die Banken selbst, unterscheiden sich heute weder Amerika noch der Iran, Fundamentalisten oder Atheisten. Die Frage bleibt, wie kann man „fromm“ oder „aufgeklärt“ sein, wenn man „schlechtes“ oder „wertloses“ Geld benutzen muss? Hier schließt sich der Kreis, öffnet sich ein neuer Dialog und begegnet die Vernunft dieser Tage mit den alten Einsichten der Buchreligionen.

Im letzten Jahrhundert wurde das technologische Projekt durch die Schaffung eines reinen Papiergeldsystems entfesselt. Grausame Kriege und die Finanzierung ihrer Armeen wurden so im globalen Maßstab erst „finanzierbar“. Was aber war die tiefere Bedingung für diese Entwicklung? Erst wenn der Staat das Geldangebotsmonopol hält und den Bürger entmündigt, wird es möglich, dass Geld gewissermaßen aus dem Nichts geschaffen wird. Das gedruckte Geld dient eine Zeit lang der Machtsteigerung. Es wird durch Kreditvergabe stets vermehrt, ohne dass ihm etwa entsprechende Ersparnisse oder Werte gegenüberstünden.

Für die Politik hat dieses System den charmanten Vorteil, dass man der Bevölkerung jederzeit „Geld geben und versprechen“ kann, auch wenn man es dann später „unbemerkt“ durch eine Inflation wieder wegnimmt. Dieses endlos reproduzierte Geld ist natürlich notwendig inflationär, und es verursacht – ob es die Politik will oder nicht – zwangsläufig Wirtschafts- und Finanzkrisen. Drohende Rezession und Arbeitslosigkeit werden dann, zumindest „in der Theorie“, mit noch mehr billigerem Geld bekämpft. Sysyphos lässt grüßen.

Die Frage bleibt also: Warum gilt der freie Markt nicht auch für unser Geld selbst? Zu den Stimmen, die diesen „unfreien“ Zustand kritisieren, gehört beispielsweise Barclays-Chefvolkswirt Thorsten Polleit. Für den Analytiker Polleit ist das Papiergeldsystem ein neuartiges „Experiment“ mit, rational betrachtet, schlechten Erfolgsaussichten. In der Welt am Sonntag nahm der Finanzprofi Stellung zur aktuellen Krise des Währungssystems und den Vorzügen freien Marktgeldes. Dabei fordert er, fern jeder Ideologie, nicht etwa die unbedingte Rückkehr zu Gold-Standards, sondern nur, dass „in einem freien Marktgeldsystem die Marktakteure selbst entscheiden, durch Angebot und Nachfrage, was Geld ist.“ „Wahrscheinlich“ so Polleit, wäre es, wie die Jahrhunderte davor, Gold, „vielleicht aber auch Silber, Platin oder Palladium.“

Die neue Debatte zieht sich nun unaufhaltsam und jenseits der gewohnten Parteiungen über den Globus. Der republikanische Abgeordnete Mike Pitts aus South Carolina beispielsweise hat heute Gesetze für den Bundesstaat vorgestellt, die „Gold- und Silbermünzen“ der alten Papiergeldwährung vorziehen. In einem Interview mit der Webseite „Hotsheet“ führt er nüchtern aus, dass „wenn die Regierung weiter immer mehr Geld ausgibt und immer Geld mehr druckt, das ökonomische System zusammenbrechen muss“. Der Politiker fürchtet, das amerikanische Empire könnte sonst an der Geldfrage genauso zerbrechen wie zuvor die Sowjetunion. Sein politischer Vorstoß der Etablierung einer Goldwährung ist für ihn die einzig logische Fortsetzung des „American Dream“. Der Politiker ist motiviert durch seine echte „Sorge um die Bevölkerung“, die man auf den logischen Zusammenbruch des Papiergeldsystems einfach vorbereiten muss.