Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Traditionen des Ibn Ashir

„Der Fortschritt ist ein Standpunkt und sieht wie eine Bewegung aus“ (Karl Kraus)

Das Faszinierende am Islam ist eigentlich, dass diese Lebenspraxis den Intellekt nicht nur nicht ablehnt, sondern bestätigt und inspiriert. Das islamische Denken folgt dabei nicht nur berechenbaren Denkregeln, sondern das islamische Recht schützt auch den Islam vor der Eroberung durch politische Minderheiten oder maßlose Extremisten.

Die natürliche Gefahr ist heute, dass man die eigene Wissensbildung durch die Beschleunigung des Datennetzes in rasanter Zeit abschließen kann und eventuell sogar den allgemein gültigen Lehrsatz der Griechen „ich weiß, dass ich nichts weiß“ in kürzester Zeit zu Gunsten einer besserwisserischen Islamideologie aufhebt. Diese Ideologie mit Schnellschüssen dürfte sich in absolutem Gegensatz zu Imam Malik bewegen; ein Genius, aber auch ein Entschleuniger, der auf Fragen immer wieder einmal auch bedächtig sagte: „Ich weiß es nicht.“

Oft genug können Muslime heute nicht einmal schlüssig argumentieren, woher, und aus welcher Tradition oder Überlieferung sie ihre islamischen Überzeugungen eigentlich nehmen. Man darf dabei nicht vergessen, dass viele ehemalige islamische Länder ihre eigenen Denk-Traditionen zugunsten eines Säkularismus radikal abgestreift und ausgemerzt haben. Ein Grund, warum viele Muslime in diesen Ländern nur so genannte Modernisten, als ihre einzige Quellen fanden.

Wer sein eigenes Wissen einigermaßen nüchtern einschätzt, wird auf die Nähe zu vertrauenswürdigen Gelehrten dauerhaft nicht verzichten können. Ich nenne dies eine „Wissenschaft, die auf dem Teppich bleibt“. Neben einem ganzheitlichen islamischen Wissen sind untrübliche Zeichen der Authenzität dieser Personen ihre spürbare „Liebe zum Propheten, ihre Abneigung gegenüber Extremen und eine unerschütterliche, positive Grundhaltung, die jedes Ressentiment ausschließt“. Diese Lehrer vermitteln, was nötig ist, ohne je mit ihrem Wissen andere zu drangsalieren.

Die Notwendigkeit zu studieren, ist für einen einfachen oder ambitionierten Muslim immer gegeben. Im Moment studieren wir mit einem Gelehrten einen einfachen Text von Ibn Ashir, den normalerweise Kindergartenkinder in Marrokko als islamische Grundausbildung auswendig lernten, der aber heute unseren „erwachsenen“ Intellekt durchaus zu fordern vermag.

Ibn Ashir war ein Gelehrter des 11. Jahrhunderts, der ursprünglich aus Andalusien kam und später in Fez lehrte. Er war bekannt für sein Wissen über Grammatik, das Recht des Islam und natürlich war er auch ein Schaikh des Tasawwuf. Er schrieb viele populäre Bücher, darunter ein Klassiker, das „Murshid Al-Mu'in“, dass eine klare Orientierung für den Suchenden gibt und das Wissen über die 'Aqida, die Shari'a and den Tasawwuf vereint. Wer arm war, aber seinen Ibn Ashir gut kannte, wurde in jeder guten Familie in Marrokko willkommen geheißen.

Die klaren Quellen Ibn Ashirs führen, wie er selbst sagte, zu einer klaren Orientierung und einem schlüssigen Wissen über Islam (Fiqh des Imam Malik), Iman (die 'Aqida der Ash'ari) und Ihsan (der spirituelle Weg des Imam Dschunaid). Dieser Weg war über Jahrhunderte ein Schlüssel zum geraden Weg; jenseits der zeitlosen Verführungen extremer Positionen.