Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Frankfurt

„Wenn Du wissen willst in welcher Zeit Du lebst, schau auf den Marktplatz“ (Ibn Khaldun)

Frankfurt

Goldener Herbsttag, den ich für einen lang geplanten Besuch der deutschen Hauptstadt des Geldes nutze. Im Schatten des Bankenviertels der Stadt hält die Kultur tapfer Stellung. Die Ausstellung „Goethe und das Geld“ im Frankfurter Goethehaus belegt eine der spannendsten Seiten des Universalgenies. Goethe, ganz Philosoph, hatte schon zu Beginn der industriellen Revolution insbesondere die Erfindung des Papiergeldes mit großer Sorge beobachtet.

Der Dichter ahnt die Wirkung des neuen Geldes, die als eine Art Brandbeschleuniger wirken muss und die globale Entfaltung der Finanztechniken befördern wird. Goethe weiss, als emsiger Finanzminister eines kleinen Fürstentums, um die lästigen, alltäglichen Probleme der Staatsfinanzierung. Die Verführungen der neuen „Zettelwirtschaft“ für die Politiker sind evident. 1794 pocht Goethe in einem Münzgutachten darauf, dass das echte Geld aber nach wie vor nicht der Stempel auf den Papieren, sondern der den Münzen innewohnende Wert ausmache.

Im Faust zweiter Teil verarbeitet das Genie dichterisch die Herausforderungen einer neuen Epoche, die, ob man will oder nicht, von Kapital und Technik geprägt sein wird. Mephistopheles, als Narr verkleidet, bietet dem Herrscher die neue magische Technik der Macht an: die Schaffung von Geld aus dem Nichts. Papiergeldscheine sollen den Staatshaushalten eine neue Potenz geben und nicht nur zur friedlichen Landgewinnung, sondern auch zur Kriegsfinanzierung dienen.

Der neue Deal funktioniert zur Überraschung der Beteiligten, auch, weil die Nutzer naiv glauben, die bunten Scheine seien durch Ressourcen gedeckt. Die neue Wirtschaft muss nun, wie der Ökonom Hans Christoph Binswanger in seinem wichtigen Faustkommentar „Geld und Magie“ ausarbeitet, ewiges Wachstum und immer größere Wertschöpfung versprechen und so ein Prinzip „contra naturum“ einführen, in erster Linie um die latente Flüchtigkeit der neuen Währungen zu verbergen. Faust muss aber erkennen, dass der Mensch auf Dauer über solche magische Eigenschaften nicht verfügt.

Im Frankfurter Schauspielhaus wird der 2. Teil – übrigens mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Bank, aufgeführt. Karten für das Spektakel sind leider Mangelware. Es ist, so Binswanger, das Modernste und Aktuellste Stück, dass ein deutsches Theater in unserer Zeit aufführen könnte. Er hat Recht. Natürlich wirkt der Geist Goethes, der auf dieser Bühne angerufen wird, eher unauffällig, hat doch das ursprüngliche, in den Tagen Schillers und Goethes, auch revolutionäre Theater in Zeiten der andauernden Medienrevolution viel an politischer Kraft verloren.

Dennoch hat derartige Bildung der Bürger eine Langzeitwirkung. Die Einsichten Goethes können noch immer mithelfen, die Leere im Zentrum unserer Aktionen aufzufüllen. Ohne eine solche Substanz beherrscht uns der Leerlauf. Vor dem Theater, nicht weit vor dem Euro-Denkmal der EZB, hält sich noch ein kleines Häufchen „Occupy“- Aktivisten irgendwie die Füße warm. In Frankfurt liegt es nahe eine Bilanz zu ziehen. Es ist kein Wachstum erkennbar, die Aktion scheint neue Inhalte in dürftiger Zeit nötig zu haben.