Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Gleichmut

50 Prozent der Wirtschaft sind Psychologie. Wirtschaft ist eine Veranstaltung von Menschen, nicht von Computern. Alfred Herrhausen (1930-89), dt. Bankier, Vorstandsspr. Dt. Bank

„Die jüngsten Maßnahmen der Notenbank verschieben offenbar große Risiken zu den Steuerzahlern“ Harry Reid, Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat

Die massive, inflationstreibende Flutung der Finanzmärkte mit frisch gedruckten Dollars durch die Fed geht also mit der Tendenz einher, die Risiken, denen die Banken derzeit ausgesetzt sind, zu sozialisieren, also der im Würgegriff der aufziehenden Rezession befindlichen Bevölkerung aufzubürden. Die „Regierung“ – also der amerikanische Steuerzahler – übernehme vermittels der Fed die „schwer zu verkaufende“ Vielzahl an Investitionen, sagt die New Yort Times beiläufig. Tomasz Konicz, TP

Die unabänderlichen Dinge werden mit Gleichmut aufgenommen. Vielleicht erklärt dies die verhaltene, beinahe stille Anteilnahme der Bevölkerung gegenüber den allgegenwärtigen Bankenkrisen. In allen Erdteilen wächst das Misstrauen gegen diese Institutionen und gleichzeitig die Ohnmacht gegenüber ihrem Zerfall. Obwohl der Staat, aus dogmatischer Sicht, gegenüber der Privatwirtschaft neutral sein sollte, werden jetzt in Krisenzeiten Bürgschaften abgerufen, die wir alle, die Steuerzahler, bezahlen müssen.

Als vor über 10 Jahren die Islamische Zeitung diese elementaren Themen angeschnitten hatte, waren auch Muslime erstaunt, dass wir statt der „Kopftuchfrage“ die „Bankenfrage“ mit größerer Leidenschaft gestellt haben. Nachdem wir Muslime geworden waren, war uns klar, dass es zu diesen Fragen Aussagen im Islam und in der letzten Offenbarung geben muss. Heute, angesichts der aktuellen Lage, ahnt man, dass es weniger die heißen politischen Botschaften sondern diese kühlen Fragen sind, die uns in unserer Zeit besonders interessieren müssen. Zweifellos, der Islam kann zu ökonomischen Themen dieser Tage sehr konstruktive Beiträge formulieren.

Das Thema ist dem Grunde nach jenseits politischer Meinungen und führt gleichzeitig den trostlosen Kampf der Ideologen ad absurdum. Die Krise, die der Mensch ja augenscheinlich weder fördern noch aufhalten kann, deren Konsequenzen aber für uns alle verheerend werden können, zeigt die begrenzte Dimension der politischen Entscheidung, in einer Zeit, wo offensichtlich die Ökonomie beinahe schicksalhaft in unser Leben eingreift. Hier werden Grenzen aufgezeigt. Niemand weiß, wann dieses ökonomische System stürzt; wissen muss man nur, dass es, wenn man aufgeklärt und vernüftig denkt, so auf Dauer nicht weiter bestehen kann.

Natürlich sind auch die Muslime in das strukturelle Spiel von Spekulation, Inflation und Korruption verstrickt. Alle Formen des politischen Islam haben sich daran nicht wirklich gestört und den Grundsatz „Geld ist Macht“ letztendlich nachgebetet. Ironischerweise ist es ja auch maßgeblich arabisches Geld, dass einige Banken vor dem Absturz schützte und so den Zerfall eigener gigantischer Währungshügel verhinderte. Dabei sollte aber dennoch nicht in Vergessenheit geraten, dass genau diese ökonomische Fragen über Jahrhunderte im Zentrum des islamischen Denkens standen. Der Islam definiert den Mittelweg. Eigentum ist erlaubt, aber die Magie grenzenloser Kapitalvermehrung widerspricht unserer Vernunft. Hier braucht es eine neue „Aufklärung“:

„Doch Allah hat den Handel erlaubt und das Zinsnehmen verboten“ (2;275)