Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Größe

„Der Theorie nach ist das Parlamentarische Kontrollgremium ausreichend, aber was da wirklich geschieht, das kann ich nicht sagen, weil es selbst geheim tagt, um das Geheimnis der Informationen zu wahren. Aber ob es wirklich funktioniert, können nur die politisch Verantwortlichen beurteilen.“(Rechtswissenschaftler Hans-Heiner Kühne, DLF)

Der CSU-Innenminister Friedrich ist eigentlich keine unsympathische Erscheinung. Die Rolle des „Law and Order“- Mannes, die Otto Schily, in dessen Amtszeit ironischerweise der verschlafene Rechtsterrorismus fällt, so perfekt gespielt hat, liegt ihm nicht. Unter dem Druck der Krise, die das Trauma des Rechtssterrorismus ausgelöst hat, wirkt er noch immer eher jovial und freundlich. Die Aura bayrischer Gelassenheit, die den Berufspolitiker umgibt, wird ihm sogar von Hardlinern der eigenen Fraktion vorgeworfen.

Nach den Jahrzehnten des Linksterrorismus, dem Jahrzehnt des „islamistischen“ Terrors nach dem 11.9., hat der Staat eine neue, konkrete Freund-Feind Situation zu bestehen. Unvorbereitet sind die staatlichen Strukturen nicht, da die Geschichte des modernen Staates von der Geschichte des Terrorismus nicht zu trennen ist. Da der Staat natürlich nicht den Bürger zu seinem Feind erklären konnte und ihm gegenüber lieber seine morbide Verletzlichkeit betont, hat erst die Anwesenheit der feindlichen Ideologen den steten Ausbau des Sicherheitsapparates ermöglicht.

Unser Minister steht nun einem in Größe und Macht wohl einmaligen High-Tech-Sicherheitsapparat gegenüber, der nicht nur über Trojaner und Software vom Feinsten, sondern auch über ein staatlich finanziertes Heer von dubiosen „Spitzbuben“ verfügt. Diese wankelmütigen Charaktere informieren den Staat und wohl auch andere Geheimdienste über wirkliche und angebliche Terrorpläne, besorgen auch schon mal Waffen und Zünder und machen sich anschließend aus dem Staub. Diese Herren sind Scharniere zwischen Unterwelt und Verwaltung, öffnen die Türen zu unrechtmäßigem Handeln, Denunziation und Verbrechen.

Unter normalen Umständen müsste der Minister hoffnungslos überfordert sein, muss er doch den Apparat und die Tat gleichzeitig untersuchen. Da das Eingestehen der Überforderung eine philosophische, aber keine politische Größe wäre, bleibt dem Politiker nur die Entscheidung, das heißt – nur wenige Stunden nach der Entdeckung der Tat – die Forderung nach Ausbau und Perfektion des Apparates. Die unheilvolle Mechanik dieses inneren Zusammenhangs beschäftigt schon länger Juristen aller Couleur.

Wie andere Politiker vor ihm haben Friedrich Zufälle, nicht etwa Karriereplanung in das Amt gehievt. Er ist kein ausgewiesener Experte in Sicherheitsfragen. So bleibt ihm als unmittelbare Aktion nur die Flucht in ein Expertengremium, dessen Auswahl fatal an die Expertenrunden der „Finanzkrise“ erinnert. Es sind genau die Größen, die zur Zeit der Entstehung der problematischen Vorgänge Verantwortung trugen und wenn nicht sogar befangen, so doch immerhin selbst beteiligt waren. Sie dokumentieren gleichzeitig den Machtverlust der Politik.

Die „WELT“ kritisiert heute die Auswahl von Beamten in das Gremium, die selbst dem Sicherheitsapparat angehörten. Der Staat dreht sich in seiner Beurteilung um sich selbst. Die Politik demonstriert, dass sie das Wissen für Entscheidungen, die die Grundlage für ihre Verantwortung wäre, nicht hat. Der große Otto Schily hat daher wenige Stunden nach einem Terroranschlag von einem Blatt abgelesen: „Die Hintergründe des Anschlages in der Keupstraße sind dem kriminellen Milieu zuzuordnen“. Er wirkte dabei so kalt und unbeteiligt wie immer.

Hier wäre nun eigentlich der Bürger gefragt, seine Fachleute zu präsentieren. Natürlich werden dies keine „Otto Normalverbraucher“ sein können, sondern vielmehr Menschen sein müssen, die unabhängige Erfahrungen mit dem Wirken des Sicherheitsapparates gesammelt haben. Die Vorstellung, die Hüter der Verfassung würden nur in der Mitte der Gesellschaft existieren, könnte eine fatale Fehleinschätzung sein. Es gibt diese Experten, die – unabhängig von ihren politischen Überzeugungen – in eine solche Expertenrunde gehören würden.

So zum Beispiel der Rechtsanwalt Rolf Gössner, der 1993 zum Thema „politische Justiz im präventiven Sicherheitsstaat“ promovierte. Der Publizist ist nicht nur parlamentarischer Berater und anerkannter Bürgerrechtsaktivist, sondern auch Herausgeber des Grundrechte-Reports. Gössner selbst wurde nicht nur als „Extremist“ diffamiert, sondern auch jahrzehntelang unrechtmäßig vom Verfassungsschutz beobachtet.

Wenn man das Wesen des Staates in all seinen Schattierungen begreifen will, ist es notwendig, sich an den Rändern der Gesellschaft umzusehen, also nicht nur den Normalfall, sondern den Ausnahmefall zu studieren. Man wird Polizeistationen, Altersheime und Asylantenheime besuchen müssen. Auch in der muslimischen Szene wird man sich (leider) umhören müssen. Gerade Anwälte und juristische Fachleute der Muslime können zu dieser Debatte einige Substanz beitragen.