Da man ja grundsätzlich positiv denken soll, muss man vermelden, dass jene Entscheidung, die zwei Verbände „Zentralrat der Marrokaner“ und „Islamische Gemeinschaft der Bosniaken“ neu zur Islamkonferenz einzuladen, tatsächlich eine positive Horizonterweiterung des Gremiums darstellen könnte.
Es geht dabei nicht um die genannten Verbände selbst, sondern um zwei wichtige inhaltliche Aspekte:
Die Beschäftigung mit der marrokkanischen Lehre könnte einen Mittelweg andeuten, der den Islam nicht seiner Fundamente beraubt (Gemeinschaft, Zakat usw.), ihn vor reiner individualisierten, nicht lehrbaren Esoterik schützt und dennoch zuverlässig in eine Form fasst, mit der es sich in Europa gemeinsam leben lässt.
Die marokkanische Lehre beruht auf einem jahrhundertealten authentischen Weg, der sich in den letzten Jahren als klare Bewegung gegen den salafitischen Terrorismus oder modernistischen Fanatismus unserer Zeit bewährt hat. Nur eine Lehre die sich glaubwürdig mit der Offenbarung und dem Ursprung des Islam verbinden lässt, gibt eine Grundlage für die nötige Auseinandersetzung mit der globalen „Internetlehre“ moderner Fanatiker und ihrer Tendenz, die – wie Olivier Roy es fasst – Islam und Kultur, zu Gunsten einer kopflastigen radikalen Theologie zu trennen.
Nur eine klare nachvollziehbare Lehre kann verhindern, dass sich der Islam in tausende Grüppchen und Sekten aufspaltet oder sich als „Ideologie“ oder „Politik“ von jeder gemeinschaftlichen Mitte entfernt und derart verselbständigt. Die gefährliche Hochzeit von Moderne und Islam, die mit dem Verlust klassisch islamischer Ausbildung einhergeht, beschreibt Olivier Roy (für den denkbar schlimmsten Fall: den muslimischen Terroristen) treffend:
„Der Modus Operandi und die Organisationsform von al-Kaida, das zentrale Feindbild des amerikanischen Imperialismus wie auch die auf junge, im Westen ausgebildete Muslime und auf Konvertiten ausgerichtete Rekrutierungspraxis – all das verweist darauf, dass al-Kaida nicht einfach Ausdruck eines traditionellen, ja nicht einmal eines fundamentalistischen Islam ist; sondern vielmehr eine neue Auffassung des Islam im Kleid westlicher, revolutionärer Ideologien.“
Es wäre sehr wichtig, wenn die diffamierende und diskriminierende Gleichsetzung zwischen orthodox praktizierenden Muslimen und Radikalen, zwischen klassisch geprägtem Islam und modernem Fanatismus, zu der der neue „Islamismusbegriff“ neigt, ein Ende fände.
Die bosnischen Muslime als europäische Muslime erweitern die Sicht auf Millionen junger Muslime, die entweder Europäer sind, den Islam als Europäer angenommen haben oder aber hier in Europa geboren sind. Diese Muslime sprechen europäische Sprachen heute besser als Arabisch oder Türkisch. Jene neue Generation stellt in der großen Mehrheit kein Integrationsproblem dar und sie sind es auch, die zu Recht daran erinnern, dass sie als europäische Muslime längst einen fälligen Anspruch auf rechtliche Gleichstellung mit Christentum und Judentum haben.
Nebenbei bemerkt zeigt die Nicht-Existenz eines bosnischen Terrorismus nach den barbarischen Balkankriegen, Gott sei Dank, dass die These von der sich aufdrängenden Gewaltbereitschaft der Muslime in Europa schlichter Unsinn ist.