Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Integration und Markierung

Die Islamkonferenz als Mittel der Integration wird zu Beginn der 2. Runde des Spektakels am Montag wohl wieder in aller Munde sein. Um den Vorgang in seiner politischen Dimension zu verstehen, muss man sich – im Angesicht einer gewaltigen und gewalttätigen Finanzkrise – kurz die weiteren Rahmenbedingungen dieser Konferenz vergegenwärtigen. Wir erleben in diesen Tagen ja endlich eine Debatte über den eigentlichen globalen Integrationsvorgang der letzten Jahre: die Integrationskraft der Finanztechnik.

Die globale Finanztechnik wird in dem Maße totalitär, als sie politisches Handeln ihrer Macht unterordnet und jede „Alternative“, die ihr nicht genehm ist, als denkunmöglich erscheinen lässt. Dieser Vorgang erreicht – nicht ganz zufällig parallel zur Islamdebatte – heute seinen vorläufigen Höhepunkt.

Der Würzburger Professor Karl-Heinz Brodbeck fasst die „garantierte“ Schicksalsgemeinschaft Bank/Politik in der Mainpost wie folgt zusammen:

„Die garantierte Geldsumme, von der jetzt die Rede ist, bekommen letztlich die Banken. Und das heißt nichts anderes, als dass die Banken das Recht durchgesetzt haben, für jedes Risiko, das sie eingehen, zu 100 Prozent eine staatliche Garantie zu erhalten.“

Es ist fraglich, ob die Idee der Kontrolle und Reform der Finanzmärkte nicht einfach nur eine alte Idee, eine Form der politischen Romantik ist. Professor Brodbeck bringt jedenfalls das enorme Selbstbewusstsein der neuen Finanztechniker auf den Punkt:

„Ihr könnt uns gar nicht kontrollieren. Wenn ihr es versucht, ruinieren wir den Markt. Man hat immer Angst vor Terrorismus. Doch eben das ist eine andere und durchaus noch gefährlichere Form von Terrorismus, der sich an den Finanzmärkten bewegt. Das muss die Politik endlich verstehen und einschreiten.“

Es war und ist immer die These der Islamischen Zeitung gewesen, dass – historisch gesehen – nicht etwa der Islamismus, sondern der Kapitalismus die Demokratie aushöhlt.

Die Funktion des spektakulären, aber inhaltslosen muslimischen Terorismus war dabei, die Vorlage für die Etablierung des Sicherheitsstaates zu liefern, von dem Terror der „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ abzulenken und gewissermaßen unter den Trümmern ihres Nihilismus die Verschüttung der relevanten Teile der Botschaft des Islam zu befördern. Die wesentlichen Kernsätze der koranischen Offenbarung; seien es die Einheitslehre oder die ökonomischen Imperative, die uns ja gerade jetzt faszinieren, werden in der öffentlichen Debatte um den Islam noch immer konsequent ausgeblendet.

Bei dem extrem weit gehaltenen Begriff des „Islamismus“ geht es auch darum, die authentische islamische Lehre – seit Jahrhunderten fern der Extreme – mit dem ideologischen Modernismus und seinen extremen Handlungsformen gleichzusetzen. Die Berufung auf eine(n) authentischen(n) Lehre(r) des Islam erfolgt immer unter dem Risiko, als potentieller „Islamist“ mit Terror und Kriminalität assoziiert zu werden. Wer also im öffentlichen Raum unterwegs sein will oder muss, suche sich am Besten eine(n) als „liberal“ markierten Lehrer(in).

Um das Wesen der Islamkonferenz zu verstehen, muss man sich ihre absolut politische Natur klar machen. Sie unterwirft die Muslime einer politischen Logik, einer politischen Terminologie und markiert so die gewollten, sich angeblich unversöhnlich gegenüber stehenden Parteiungen. Eingeladen werden nur Personen oder Verbände, die sich in der politischen Logik der Konferenz, also als Konservative oder Liberale, einfügen lassen. Es geht hier in jeder Hinsicht um einen politischen Islam, in all seinen denkbaren, bequemen und unbequemen Formen. Stumm bleiben unabhängige Vertreter der islamischen Lehre, Köpfe, die sich der bekannten politischen Katgorisierung entziehen oder aber der islamischen Zivilgesellschaft angehören. So zum Beispiel NGO's, die keine politischen Ziele haben oder sich in ihrem nicht-politischen Aggregatzustand eben keinen politischen Zielen unterordnen lassen.

Die politische Rolle der „liberalen Muslime“ ist es, als angebliche „Befreiungstheologie“, einen individualisierten, sich selbst relativierenden Islam zu vertreten und – mit entsprechender Unterstützung – sich als neue „moderne Mitte“ in der muslimischen Gesellschaft zu etablieren. Mit Hilfe der liberalen Muslime werden so die „Extreme“ (Islamisten) und ihre „Erkennungsmerkmale“ (islamische Praxis) neu definiert.

Das eigentliche Dilemma für die Muslime ist der Fakt, dass die heutigen Verbände als die erklärten „konservativen“ Gegenspieler der „liberalen“ Muslime nicht etwa Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind. Die Verbände verschließen im Grunde den Weg zur letzten Alternative für die Muslime, die nicht vollständig politisiert werden möchten: die muslimische Gemeinschaft.

In ihrer Mehrheit etablieren die Verbände bereits das „ethnische“ Element als das wesentlichere Identitätsmerkmal ihres Gemeinschaftsgefühls oder mutieren zum Vorteil einer Funktionärskaste still von ehemals politisch denkenden Verbänden hin zu autoritär geführten Wirtschaftsunternehmen mit Religionsabteilung. Zudem setzt sich auf breiter Basis ein „4-Säulen-Islam“ durch, der ohne die Erhebung und lokale Verteilung der Zakat die Möglichkeit echter und multi-ethnischer Gemeinschaft im Islam ausschließt. Ihrer profanen politischen Verfassung entsprechend bringen sie weder eine überzeugende Lehre, noch unabhängige Stiftungen zum Wohle aller Muslime hervor.

Die muslimische Gemeinschaft (Moschee, Zakat, Stiftungen, Markt) akzeptiert die Breite und Vielfalt des muslimischen Lebens und verhindert die Trennung des Glaubens, der alltäglichen Lebenspraxis und ihrer Kultur. Der Islam ist keine Kultur, bringt sie aber hervor – mitsamt den Menschen, denen das Gemeinwohl wichtiger ist als Isolation, Ghetto oder Individualismus.