Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Kampf für Marktwirtschaft

Außerdem wurde bekannt, dass die Finanzbranche wieder 29 Prozent aller Unternehmensprofite in den USA einfuhr, mit insgesamt 57,7 Milliarden Dollar im letzten Quartal 2010 – der bisher höchste Anteil seit der Rezession. Das „Wall Street Journal“ jubelte: „Wie Phönix aus der Asche.“ (Mark Pitzke, SPIEGEL Online 31.3.2011)

„Alle große Religionen verbieten staatlichen Betrug beim Geld. Sie alle lehren, Versprechen einzuhalten und Pflichten zu erfüllen, den Nächsten und sein Eigentum zu respektieren“ (Ron Paul)

Es gibt Thesen, die Meinungen bleiben, oder aber die Geschichte prüft ihre Inhalte und beweist sie als wahr. Als Herausgeber der Islamischen Zeitung waren wir nie der Meinung, dass die Demokratie durch den sogenannten Islamismus gefährdet war oder ist. Gott sei Dank ist die Zeit der Ideologien vorbei.

Der Niedergang der Ideologien zeigt sich natürlich auch im Feld des politischen Islam. Seine Rolle ist rein reaktiv und destruktiv. Der Extremismus diente im Westen einerseits zum uferlosen Ausbau der Sicherheitsstrukturen oder aber zur Abschreckung vor dem Islam selbst, insbesondere seiner ökonomischen Botschaft. Als Ideologie hat der politische Islam – neben dem hilflosen Kopieren der westlichen Machtinstrumente – insbesondere keine Antwort auf die ökonomische Situation des Menschen.

Die anderen Formen des gemäßigten politischen Islam, der sogenannte konservative und liberale Islam, sind dialektisch aufeinander bezogen, ohne noch positiv sagen zu können, was der Islam überhaupt ist. Beide Lager beschränken den Sinn des Islam zunehmend auf (völlig belanglose) Äußerlichkeiten, so ist man „konservativ“, wenn man ein Kopftuch trägt, und „liberal“, wenn man es nicht tut. Der politische Islam ordnet als Politik das politische Interesse den rechtlichen Bindungen des Islam über, so sprechen beispielsweise weder „konservative“ noch „liberale“ Muslime heute noch über die wichtige Verpflichtung der Zakatzahlung.

Das Ideal der Macht und des Einflusses verkörpert sich für den politischen Islam in der Organisation und damit in dem Glauben, Macht sei das Vermögen, den Willen möglichst vieler Mitglieder organisieren zu können. Deswegen fördert der politische Islam auch keine unabhängigen Stiftungen, die die Zivilgesellschaft im Islam entscheidend prägen.

Im historischen Rückblick entzieht sich der Islam und die Muslime der Einordnung in systematische Begrifflichkeiten wie „liberal“ oder „konservativ“. Rumi gilt heute als „liberal“, war aber gleichzeitig „konservativ“, weil er den Islam natürlich korrekt praktizierte. Der Islam war über Jahrhunderte kein politisches System oder gar ein Totalitarismus mit Weltbeherrschungsanspruch.

Wenn der Islam heute relevant sein will, muss er die eigentlichen Fragen dieser Zeit beantworten, die Frage nach dem Sinn, der Technik und dem Verhältnis von Ökonomie zur Politik.

Der Islam ist in ökonomischen Fragen – folgt man schon der Logik westlicher politischer Begriffe – liberal. Der Islam erlaubt Privateigentum. Das Ideal des ökonomischen Islam ist die Freiheit, also zum Beispiel ein freier Markt, statt monopolisierte Distribution oder frei gewähltes Geld, statt staatlich eingesetztes Zwangsgeld. In diesem ökonomischen Anspruch besteht die Möglichkeit einer Allianz, in der Zinsfrage traditionell mit Juden und Christen oder mit allen anderen Denkenden, die eine wirklich „freie“ Marktwirtschaft anstreben.

Es ist hier bemerkenswert, dass die Islamkritik den Islamismus „ideologisch“ auf der Ebene von Nationalsozialismus und Kommunismus einordnen will, aber grundsätzlich die ideologische Seite des Kapitalismus und das Schicksal seiner Opfer ignoriert. In seiner beliebten Rolle als „Verfassungsschutz“ blendet die Islamkritik den Wesenswandel der Demokratie selbst, der sich in der Frage nach dem „Primat der Politik“ oder eines möglichen „Coup de Banque“ äußert, aus.

In den USA zeigt sich der Machtkampf zwischen Politik und Ökonomie an dem verzweifelten und gescheiterten Bestreben des Präsidenten, der Wall Street Regeln zu unterwerfen. In dem amerikanischen Selbstverständnis, das freiheitlichste Land der Welt zu sein, wachsen aber auch überraschende Gegenkräfte heran. Der Grund hierfür ist einfach. Die Angst vor einer Hyperinflation hält natürlich nicht nur Europa, sondern insbesondere auch Amerika in Atem. Die arabische Welt ignoriert dagegen weiter alle Gefahren der Technik überhaupt und insbesondere der Finanztechnik. Mit Sorge betrachten viele Amerikaner, dass die amerikanische Notenbank immer häufiger die schwer verkäuflichen Staatsanleihen selbst aufkauft und so indirekt immer mehr Geld druckt. Allein in den letzten beiden Jahren hat sich die Zentralbankgeldmenge in den USA mehr als verdoppelt.


Der Republikaner Ron Paul und andere bekannte US-Dollarkritiker in den USA gehen nun in die Offensive und fordern ganz offiziell die Erlaubnis für Jedermann, sein Geld seiner Wahl zu drucken. Die freie Marktwirtschaft soll im „freiesten Land der Welt“ auch für Geld gelten. Außerdem meint Paul, dass nur durch den Druck der Straße und Konsumenten die US-Regierung zu einer vernünftigen Geldpolitik zurückkehren werde. Paul sieht im modernen Geld- und Bankensystem „kein System des freien Marktes.“ Es ist ein – so Paul “ vom Staat gestütztes, halb-sozialistisches System, das sich in dieser Form in einem sauberen Marktumfeld nicht würde halten können“.

Die Begeisterung der Amerikaner für Gold und Silber hat in dem Land eine große Tradition und gibt der Goldbewegung einigen Schwung. 

In 13 amerikanischen Staaten soll der „Goldrausch“ inzwischen per Gesetz zu offiziellen Zahlungsmitteln kanalisiert werden. In Utah sollen Gold- und Silbermünzen demnächst von der Mehrwertsteuer befreit werden. Die Staaten wollen nicht nur ihre lokale Wirtschaft schützen, sondern ihre Bevölkerung auch für einen Crash fit machen.

Verfassungsrechtler, man könnte auch sagen Verfassungsschützer, wie Albert Navarra unterstützen die Bundesstaaten in ihrer rechtlichen Argumentation gegen den amerikanischen Kongress und sehen in den neuen Gesetzen und der Forderung nach lokalen Freiheiten in der Währungspolitik „ein Zeichen der Zeit“.