Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

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„Kleiner Mann, was nun?“

Kleiner Mann, was nun?, heißt der berühmte Arbeitslosenroman von Hans Fallada, der sich gerade heute noch spannend und überaus aktuell liest. Fallada schildert das Leben eines kleinen Angestellten und seiner Frau, die unter der Weltwirtschaftskrise leiden und statt des erhofften sozialen Aufstiegs den Abstieg in Arbeitslosigkeit und Armut erleben. Fallada beschreibt in seinem Welterfolg den Versuch des jungen Ehepaars, trotz chronischen Geldmangels, die eigene Integrität zu wahren. Der Kapitalismus, der das Überangebot an der Ressource Mensch zu nutzen weiß, gestaltet den Versuch von Pinneberg und Lämmchen zum Kraftakt. Sie wissen, dass das Projekt Zwei-Zimmerwohung, ein Kind und Arbeit, bereits alle ihre geistigen Kräfte beanspruchen wird.

Auch die sozialen Angebote der 30er Jahre, von Gewerkschaften, Versicherungen bis hin zu Behörden, können nicht wirklich über die soziale Not hinweg helfen. Außerdem neigen diese Strukturen zur Kälte der Apparatur, die die Freiheit des Einzelnen gefährdet und sich schon bald keine Ausnahmen mehr leisten kann. Am Horizont beschreibt Fallada bereits die aufkommenden dunklen Wolken der politisch-ideologischen Lösungsversuche, die den kleinen Mann von der Straße und seine Not zu instrumentalisieren versuchen. Auf Dauer führt diese Politik des Notstandes neben der Sichtung von „Sündenböcken“, zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln und schlussendlich zum Untergang. Der Roman Kleiner Mann, was nun? bringt Fallada jedenfalls Weltruhm ein.

Fallada wendet sich mit dem Roman vermehrt sozialkritischen Themen zu und wird zu einem Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“. Er bemüht sich in seinen Werken um die Darstellung der Realität, beinahe im Stile einer dokumentarischen Literatur. 1947 verfasst er den Widerstandsroman Jeder stirbt für sich allein. Er veranschaulicht hier die Machtlosigkeit des einzelnen gegenüber dem Staat, aber auch den Mut einzelner, zu ihren Werten zu stehen. Das bevorzugte Milieu seiner Romane ist das Kleinbürgertum, das unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu leiden hat. Durch die einfache, leicht verständliche Sprache seiner Werke wird Fallada nicht nur zum Autor über, sondern besonders für diese Gesellschaftsschicht.

Was tun, wenn die ökonomische Lage mitsamt dauerhafter Massenarbeitslosigkeit für immer mehr Menschen ein würdevolles Leben unmöglich machen sollte? Die Szenarien ökonomischer Not und sozialer Verheerung sind auch in Deutschland 2006 keine Hirngespinste, ganz zu schweigen von der sozialen Situation junger Immigranten in Frankreich oder den Millionen junger Ägypter und Algerier in den arabischen Ländern. Ohne sinnvolle Arbeit und ohne sozialen Kontext ist der Versuch, „spirituell“ zu sein, vorsichtig ausgedrückt, in diesen Lagen nicht ganz einfach. Der Islam weiß natürlich um die Einheit von Geist und Materie, das Gewicht der ökonomischen Frage, wenn es um eine ganzheitliche und sinnvolle Lebensführung geht. Die Zakat ist daher Pflicht und die zwischenmenschliche Solidarität die eigentliche „Lebensversicherung“.

Der Prophet, fern der romantischen Weltabgewandtheit, etabliert nicht etwa nur eine Moschee, sondern auch einen Markt. Die islamische Lebenskunst war dabei von jeher und immer mit der Existenz eines freien, allgemein zugänglichen Marktes verwoben. Nur der freie Markt ist langfristig in der Lage, das Ghetto zu beleben und auch dem kleinen Mann ein minimales Einkommen zu garantieren. Der Beitrag von Moschee und Markt ist dann auch, dem „kleinen Mann“, der arm sein mag, eine würdevolle und niveauvolle Existenz innerhalb einer solidarischen Gemeinschaft zu sichern.