Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Medienunterstützte Glaubenssysteme

„Die cleversten Köpfe arbeiten in der Privatwirtschaft und nicht in der Verwaltung“ (Dirk Schiereck, Bankenprofessor aus Darmstadt, zitiert im SPIEGEL)

Der Umgang mit den großen politischen Ereignissen – sei es die Obamania, der Iran oder die Kriegsschauplätze dieser Welt – lassen „politische Systeme“ und ihre Erklärungsmodelle als „medienunterstützte Glaubenssysteme“ erscheinen. Radikale Subjektivität ist dabei Programm. Begünstigt wird dies dadurch, dass die moderne Medienlandschaft weniger die politische Unterscheidungskraft stärken möchte, sondern den gut verkäuflichen Meinungen den Hof macht. Hochkonjunktur haben dabei einfach die Bilder, die den politischen Machtverhältnissen am bequemsten entsprechen.

Soziale Netzwerke für Arme, man denke an Facebook oder Twitter, lassen sich dabei von der Medienmacht (der Reichen) ebenso leicht für politische Ziele manipulieren – wie die öffentliche Meinung überhaupt. Zudem entsteht der fatale Eindruck, ein gut finanzierter, professioneller, unabhängiger Journalismus sei nach der „Twitter-Medienrevolution“ nicht mehr nötig. Deswegen die neue Tendenz moderner Politiker, lieber zur „Online-Community“, als zu einer Schar kritischer Journalisten zu sprechen,

Wer das angebotene Glaubenssystem der öffentlichen Meinung verlassen will, und selbst ein wenig tiefer gräbt, ist natürlich weniger anfälllig für kurzweilige Wortspiele wie „Change“ und deren tiefenpsychologischen Wirkung auf die Massen naiver Geister. Wer „Change“ ankündigt, gibt darüber hinaus vor, grundsätzlich die Macht zu haben, einen Wandel zu organisieren oder zu leiten. In der heutigen Zeit heißt dies schlicht, diese politische Macht muss die Politik wieder dem ökonomischen Interesse überordnen. Diese Frage muss Obama heute an seiner „Wall Street“ beweisen.

Der schöne Schein genügt dabei wohl kaum. „Obama unterwirft die Finanzwelt staatlicher Kontrolle“, lautete die sogleich die romantische Schlagzeile auf FAZ.net, auf entsprechende Ankündigungen Obamas. Die Sueddeutsche.de schrieb forsch „Obama will Wall Street scharf kontrollieren“. Auf Stern.de heißt es sogar ultimativ: „Obama legt Wall Street an die Kette“
. Hübsche Thesen. Keine Erwähnung findet das Paradox, dass die staatliche Kontrolle der FED schon deswegen schwierig ist, weil sie sich in großen Teilen in Privatbesitz befindet.

Doch die Wirklichkeit könnte noch schroffer sein. Recherchiert man ein wenig im Internet findet man einigermaßen verstörende Nachrichten. „Noch nie in der ganzen Geschichte unseres Landes mussten wir mit ansehen, wie Gelder durch die Hintertür dieser Regierung verschwunden sind“ , erklärte Senator Byron Dorgan, ein Demokrat aus North Dakota, im Plenum des amerikanischen Senats.“ „Niemand weiß, wie viel Geld der Vorstand der Federal Reserve ausgegeben hat, und auch nicht an wen und für welchen Zweck“ heißt es klagend über die absolute „Souveränität“ der FED.

Die amerikanische Zentralbank hat – so steht es auf dem Kassenzettel – tatsächlich zur Lösung der Finanzkrise über acht Billionen Dollar an Krediten und Bürgschaften an Banken und Finanzinstitute vergeben. Die Ermächtigung der FED zur Kontrolle des globalen Finanzsystems heißt zunächst, dass sich das autarke Bankensystem in erster Linie selbst kontrollieren darf. Die Change-Politik hat bei nüchterner Betrachtung der aktuellen amerikanischen Finanz-, Sicherheits- und Außenpolitik der USA noch keine nennenswerte Substanz hervorgebracht, außer einer – immerhin – gewandelten Rhetorik und der grundsätzlich wichtigen Erinnerung an die Muslime, dass die Massen der Amerikaner auf keinen Fall der Feind des Islam sein können.

Der naiv anmutende Applaus auf die Obama-Rede aus dem Feld des politischen Islam zeigt weniger Realitätssinn, sondern die tiefe Sehnsucht des politischen Islam, vor allem seines esoterischen Flügels, wieder an Reputation und Anerkennung zu gewinnen. Die kindliche Reaktion auf das Wörtchen „Change“ zeigt, neben der Ignoranz gegenüber dem tatsächlichen alltäglichen Schicksal einiger Millionen von Muslimen, dass der politische Islam nur noch mit wenig Tiefgang aufzuwarten hat.

Woher sollte er auch kommen? Die jahrzehntelange Verstrickung in den Nationalismus, das Unverständnis über das Wesen moderner Politik überhaupt (man denke nur an die öden Zwitterbewegungen, zwischen Islam und Ideologie, Hamas und Hizbollah), die Aufgabe der eigenen Terminologie, die Ignoranz gegenüber dem qur'anischen Verbotes des Selbstmordes und der Zinsnahme gleichermaßen hat hierher führen müssen. Ohne Kenntnisse über und Respekt vor dem islamischen Recht muss sich jede islamische Substanz verflüchtigen und die politischen Fähnchen im Winde wehen.