Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Meer des Wissens

Islam ist ein Meer des Wissens. Natürlich muss man immer wieder die Nähe von Gelehrten suchen, um die Substanz des Islam klarer zu erkennen. Dies gilt besonders in einer Zeit, wo es beinahe archäologischer Bemühungen bedarf, um in der Flut von Informationen über den Islam den Islam zu finden. Glücklicherweise sind solche Träger des Wissens immer wieder Gäste in unserem Haus. 'Ali Laraki Al-Hussaini kenne ich schon seit vielen Jahren und schätze ihn wegen seines scharfen Intellektes, der sich gerade auch dann noch immer zeigt, wenn er einmal ausnahmsweise auf eine Frage sagt „ich weiß es nicht“.

Was die 'Aqida (Glaubensinhalte) angeht, lehrt 'Ali Laraki gemäß der Asch´ari-Schule, die von Abu'l-Hasan Al-Asch'ari (324 n.H.) gegründet wurde. Im Kern geht es letztendlich um die einfache und unverstellte Wahrnehmung des gemeinschaftlichen Phänomens von Medina. Geht man hier fehl, dann kommt es zu Abweichungen, die damit enden können, dass man – sozusagen – auf seiner Reise statt auf dem Mond auf dem Mars ankommt. Hier muss man also aufpasssen, dass nicht schon „moderne“ Interpretationen die Sicht auf den Grund trüben.

Ein Beispiel ist die unsinnige und unreflektierte Definition Medinas als „Staat“ oder die Deutung des Propheten als „Politiker“, ohne die geistigen und historischen Voraussetzungen der Begrifflichkeiten von Staat und Politik überhaupt näher nachzuvollziehen. Islam hat eine eigene Terminologie, auf die man sich zunächst einlassen muss. Die Rechtsschulen des Islam sind wie Fährten, die man aufnehmen kann, um – im Rücklauf – das Urphänomen selbst erkennen zu können. Man erkennt schnell, dass zum Beispiel die engen Vorstellungen von „Rasse und Raum“ – für das westliche Staatsdenken entscheidend – im Islam über Jahrhunderte keine Rolle spielten. Diese Veränderungen kann man aber intellektuell nur erkennen, wenn man die Geburtsstunde des Islam genau kennt.

Bücher wie das „Al-Muwatta“ von Imam Malik zeichnen sich dabei durch besondere zeitliche und unverstellte Nähe zur Realität von Medina aus. Die ideologiefeindliche Grundeinsicht des Islam und der Sufis ist, dass der Mensch dauerhaft weder „Macht“ machen noch organisieren kann. Tasawwuf ist eine Methode sich heute einem reinen menschlichen Zustand anzunähern um „sehen“ zu können, was ist. Die Auszeichnung von Medina ist unter Anderem, dass die Menschen keine Methode oder Wissenschaft anwenden mussten, um sich an den geistigen Ort des Propheten anzunähern. In diesem Sinne waren alle schon unmittelbar an dem Ort, den die sufische Lebenspraxis sich erst erarbeiten muss.

„Bücher und Methodik werden erst dann notwendig“ so 'Ali Laraki „als die natürliche Verortung, für die Medina steht, sich langsam auflöst“. Mit anderen Worten: „Tasawwuf war eine Wirklichkeit ohne Namen und wurde zu einem Namen ohne Wirklichkeit“

'Ali Laraki hat ein Buch über die 'Aqida zusammengestellt, welches Begrifflichkeiten wie Islam, Iman und Ihsan für Muslime und interessierte Nicht-Muslime aufklärt. Ibn Dschuzaij bzeichnet Ihsan als „Fiqh des Innern“. Während der Fiqh im äußeren Sinne, zum Beispiel die korrekte Ausführung der Körperorgane während des Gebetes behandelt, um einen korrekten Islam zu erreichen, zeigt uns der Tasawwuf (Sufismus), der innere Fiqh, die angemessenen Zustände des Herzens, die die Handlung der Anbetung begleiten sollen, um Ihsan zu erreichen.

Man muss übrigens den Ansichten gewisser Ignoranten keine weitere Aufmerksamkeit schenken, die verkünden, dass der Tasawwuf mit Islam nichts zu tun habe. Die sunnitischen 'Ulama haben in aller Klarheit festgestellt, dass das Sufitum eine der Wissenschaften des Islam ist. Natürlich beziehen wir uns auf das Sufitum eines Abu'l-Qasim Al-Dschunaid, der sich in vollkommener Übereinstimmung mit der islamischen Aqida und Scharia befindet. Dies zeigt sich in dem Umstand, dass wir uns auch im Äußeren zum Beispiel um ein klares Verständnis der Zakat sorgen, welches heute ja kaum noch existiert. 'Ali Laraki: „Wer Sufi ist, ohne das islamische Recht zu kennen, muss fehlgehen“.