Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

„Ökonomie der Hässlichkeit“

J.G Hülsmann, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität von Angers, gehört zweifellos zu den wichtigsten und provokantesten Autoren zur Frage der modernen Geldpolitik. In seinen Büchern hat er dabei immer wieder ungewöhnliche Töne angeschlagen. Schon in seinem 2007 erschienen Buch, die «Ethik der Geldproduktion», fragt der Volkswirtschaftler nach der moralischen Qualität des «Papiergeldes» und kommt zu dem Schluss, dass wegen der zahlreichen unfairen Privilegien, die das Papiergeld genießt, die diversen Arten der Geldproduktion – zumindest aus christlicher Sicht – moralisch unzulässig seien.

Moderne Währungspolitik muss nach Ansicht des Gelehrten endlich «systematisch» verstanden werden; auch um effektiv gegen die unausweichliche Logik der aktuellen Krisen anzugehen.

2012 erinnerte Hülsmann in einem Interview an den katholischen Ökonom Nicolas von Oresme und spekulierte, dass der berühmte Wissenschaftler heute «mit trauriger Anteilnahme die Tasche zur Kenntnis nehmen würde, dass die heutigen Staaten ihre Bevölkerungen mit Hilfe der Banken und Zentralbanken weitgehend versklavt haben». Noch immer sieht der Finanzexperte die Religionen in der Pflicht, für Aufklärung und Neubesinnung zu sorgen, wenn er auch skeptisch bemängelt, dass selbst Religionsgemeinschaften heute «im staatlichen Lohn und Dienst stehen». Hülsmann setzt damit indirekt auch die Idee des «ethischen Bankings», wie man sie heute bei christlichen oder islamischen Banken erlebt, unter einigen Rechtfertigungsdruck. Das Papiergeld selbst, dass diese Banken im Geldsystem gezwungenermaßen benutzen müssen, ist für Hülsmann gerade das eigentliche «moralische» Problem unserer Zeit. Nur gute Absichten zu haben, ist im System der globalen Geldschöpfung eben nicht gut genug. Nicht nur die Religionen sind aufgerufen – inmitten der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte –, ihre Positionen neu zu denken.

Mehr noch: Der Autor verknüpft die Frage nach dem Geld mit dem Freiheitsbegriff an sich und fordert, dass freien Bürgern eben nicht per Zwang «von oben» die Nutzung einer bestimmten Geldart aufgezwungen werden dürfe. In seiner lesenswerten «Ethik der Geldproduktion» verknüpft Hülsmann furios die Geschichte der Monopole, der Banken und des Geldes mit der Frage nach der Zukunft unserer Staaten. Denn, so Hülsmann, immer mehr Geld bedeute nicht nur immer mehr und immer härtere Krisen, sondern automatisch auch immer mehr Staat. Der «Totalitarismus» ist für ihn die notwendige Folge einer maßlosen Geldschöpfung.

In seinem neuen Buch die «Krise der Inflationskultur» erinnert Hülsmann an weitere Aspekte der Blasenwirtschaft. Sie verändere nicht nur die Vorstellungen über die Demokratie, sondern wirke bereits negativ auf die Mentalität und die Kultur ganzer Völker ein. In seinem Buch denkt der Autor fundamental gegen die Alternativlosigkeit einer Epoche an, zeigt auf, dass es Wachstum ohne neue Geldschöpfung geben könne, verteidigt das Sparen und stellt das Schreckgespenst der «Deflation» in Frage. Die Inflation dagegen, als akzeptiertes Übel unserer Zeit, bezeichnet der überzeugte Christ als Teil einer «Ökonomie der Hässlichkeit». Der Kollaps der Kreditwirtschaft sei aberschon aus Gründen der Vernunft nicht aufzuhalten.

J.G. Hülsmann handelt die Geldfrage nicht nur vom Elfenbeinturm der Gelehrsamkeit ab, sondern sein Buch endet auch mit konkreten Forderungen nach einer neuen Politik. «Treibende Kräfte» einer kreativen Geldpolitik, so Hülsmann, «müssen Firmen, Vereine und Privatleute sein, nicht die staatlichen Zwangsorgane». Mit anderen Worten, die Abschaffung des Währungsmonopols und der gesetzlich priveligierten Zahlungsmittel ist für ihn geradezu die Bedingung einer freien Gesellschaft und die «Abschaffung aller Beschränkungen der Produktion und des Handels mit Geld und Besitztiteln für Geld» demnach auch konsequent.

Natürlich, das weiß auch der Autor, wird eine Geldreform nicht ohne Nachteile und schon gar nicht über Nacht möglich sein. Ein erster praktischer Schritt in diese Richtung wäre es beispielsweise, die Mehrwertsteuerpflicht auf Münzen für alle nicht-staatlichen Anbieter aufzuheben.