Die Frage, wenn man sie stellt, hat beinahe etwas Ungeheuerliches: „Können wir uns ein Leben ohne Banken vorstellen?“ Ungläubiges Staunen! Die meisten Europäer können das nicht – oder besser nicht mehr. Die Frage erzeugt heute die Art von Fassungslosigkeit, die früher die These von einem Leben ohne Gott ausgelöst hätte. Die Bank steht so am Ende eines globalen Säkularisierungsprozesses, als der eigentliche Nachfolger atemberaubender und ehemals allmächtiger Größen wie Gott, Staat oder Nation.
Banken sind allgegenwärtig und als Institution grundsätzlich unentbehrlich. Spätestens seit der Finanzkrise dürfte diese Art „Lehrsatz“ der breiten Bevölkerung bewusst sein. Wir haben gelernt, dass sie gerettet werden müssen, weil sie „systemrelevant“ sind. Wir können – so möchte man uns glauben machen – Banken bestenfalls „moralisch“ verbessern und – wenn wir religiös oder ideell motiviert sind – „ethisches Banking“ einführen. Aber als Einrichtung soll sie eben doch unersetzbar sein. Böse Zungen sagen, sie sind das System selbst. Die Geschichte ihrer Machtergreifung kennt keine Zufälle, auch nicht den, dass keine Universität über ihre Machenschaften aufklärt. Die Fähigkeit, Geld aus dem Nichts zu schaffen, hat sie zum idealen Partner einer Politik gemacht, die gewohnt ist, anzugreifen, zu verteilen und die von sozialen Versprechungen lebt.
Der „neue Deal“ zwischen Banken und Politik beruht auf einem geschlossenen System. Warum? Wir leben in einer globalen Geldordnung ohne echte Konkurrenz. Im Kern steht ein Monopol – im Gegensatz zu der Logik freier Marktwirtschaft – in Form der gesetzlichen Zahlungsmittel. Das Papiergeld-System ist nicht nur ein Zwangssystem, es ist darüber hinaus auch ein Glaubenssystem, denn es beruht auf der Idee von, über der Vernunft angesiedelten „höheren Mächten“, denen es sogar gelingt, Geld in einem Ausmaß in Umlauf zu bringen, die jede Idee eines realen Gegenwertes ad absurdum führen muss.
Da wir alltäglich auf die Nutzung von Geld angewiesen sind, sind wir nicht nur Teil des Geldsystems – zum Beispiel als Leidtragende von Inflation –, sondern auch gleichzeitig Gläubige, die den Wert des Geldes, das wir ja akzeptieren müssen, jeden Tag bestätigen. Jochen Hörisch beschreibt diesen denkwürdigen Glaubensbezug des Geldsystems in seinem neuen Buch: „Man muss an die Landeswährung glauben, sie ist ein gesetzliches Zahlungsmittel, das man nicht zurückweisen kann. Staatsbürger sind juristisch gehalten die Landeswährung zu akzeptieren. Sie müssen daran glauben – eine Wendung, die im Deutschen einen knirschenden Doppelsinn besitzt.“
Macht muss kontrolliert werden, heißt es. Die Macht der Banken ist allerdings ein Phänomen, dass sich der Überwachung durch Beamte irgendeines Verfassungsschutzes naturgemäß entzieht. In der offiziellen Lesart sind Bedrohungen der verfassungsgemäßen Ordnung grundsätzlich nur im politischen Feld lokalisiert. Ähnlich, wie es sich bei der PRISM-Affäre zeigt, gibt es also hier nur wenige, die die zarten Spuren und geheimnisvollen Verflechtungen der Banken folgen. Ironischerweise bräuchte es hier wirklich Geheimdienste und ihre ungewöhnlichen Methoden, um die Verzweigungen dieses Systems eines Tages vollständig aufzuklären.
Aber es gibt zum Glück noch Intelligenz und Einzelgänger, die sich dieser Sache der „Aufklärung“, wenn auch mit bescheidenen Mitteln, annehmen. Ausgerechnet im beschaulichen Zürich hat der Wissenschaftler Dr. James Glattfelder das Treiben von 37 Millionen Unternehmen seit 2007 näher untersucht. Akribisch geht er dabei den Strukturen der 43.000 weltweit agierenden Unternehmen nach und kommt auf ein wenig überraschenden Schluss: „Die Verknüpfungen zwischen Wirtschaft und Banken sind extrem eng.“
Nach Durchforstung dieser „global player“ markiert Glattfelder etwa 147 Unternehmen, die die Weltwirtschaft beherrschen und – mit welchen Motiven auch immer – an einer monopolisierten Ökonomie arbeiten. Man muss nicht extra erwähnen, dass dieses neue Machtkonglomerat die Macht der Nationalstaaten und ihrer gewählten und nicht gewählten Regierungen zumindest auf ökonomischer Ebene überragt. Ein Coup ist heute mehr denn je auch eine Geldfrage.
Der Wissenschaftler Glattfelder hält sich allerdings nur streng an die Fakten und verzichtet auf Bewertungen oder gar weitergehende Verschwörungstheorien. Er lässt also offen, ob der Weltmarkt diese Strukturen – ob man will oder nicht – einfach erzwingt, oder ob es das innere Geheimnis der Technik selbst ist, die zu dieser unheimlichen Machtkonzentration und Vereinheitlichung führt. Eines ist jedenfalls sicher und inspiriert zu weiterem Nachdenken: Wohl nicht ganz zufällig sind die meisten der Top-50-Unternehmen auf Glattfelders Liste Banken.