Im ZDF kam gestern Abend eine Sendung über alternative Medizin. Man stellte dort fest, dass beispielsweise bei der „Ayuverda Therapie“ die meisten Westler nur die Therapieansätze annehmen, die angenehm erscheinen. Alle anderen unangenehmen Aspekte werden verdrängt oder ignoriert. Dieser Ansatz aus dem Supermarkt der Esoterik erinnert mich an die Voraussetzungen für die Begegnung mit dem Islam. Den Islam, so Allah in der Sura Al-Baqara, muss man als Ganzes akzeptieren. Ein Subjekt kann weder den Islam alleine deuten, noch Jahrhunderte alte Lehren privatisieren. Gerade als Deutscher, der den Islam bestätigen möchte, ist also eine korrekte, ganzheitliche Wissensvermittlung entscheidend. Was ist der Islam? Was ist Kultur? Was ist wichtig und was ist unwichtig?
Es ist keine Frage, dass der Islam, wenn er korrekt übermittelt wird, auf Ganzheitlichkeit und Balance beruht. Der gerade Weg schließt Extreme aus. Rational nachvollziehbare Einsichten, wie beispielsweise die Lehre der Einheit, wird mit Elementen die sich ganz nur dem Herzen erschließen, wie die Liebe zum Propheten, ergänzt. Islam ist Mekka und Medina, Herz und Verstand. Gerade genaue Kenntnisse der ersten Gemeinschaft zeigen, dass es sich bei den Gefolgsleuten des Propheten nicht um puritanische Superheilige, sondern um menschlich-allzumenschliche Charaktere handelte. Überhaupt ist die eigene Gemeinschaft, nicht etwa ein Internetforum, das langjährige Studium des Islam und heute auch die philosophische Durchdringung der Moderne die Grundbedingung für ein tieferes Verständnis der ursprünglichen Bedeutungen des Islam.
Hört man nun heute, dass es sich – nach Aussage des Innenministers – bei zum Islam Übergetretenen sich mitunter um „gefährliche, fanatische Leute mit hoher krimineller Energie“ handelt, dann ist das natürlich schockierend. Es sind aber auch Extremfälle. Im Denken dieser Leute, falls hier überhaupt gedacht wird, verschmelzen Eindrücke der Gründerzeit des Islam mit modernen totalitären Ansichten. Zynisch wird es, wenn das prophetische Wort über den spirituellen Wandel „stirb bevor du stirbst“ zum selbstmörderischen Tatendrang mutiert. Wie der Ablauf der Fahndung im aktuellen Fall zeigt, handelt es sich bei den Herren der Zerstörung gottlob nicht gerade um Superhirne. Im vielbesungenen Ulmer Zentrum konnten sogar notdürftig „abgeschaltete“ V-Leute, mit einigermaßen wilder Biografie, die dort anwesenden schlichte Gemüter anheizen.
Dass auch Formen der Paranoia nicht weit weg von dem Thema sind, zeigt ein gestriger Beitrag von Yassin Musharbash auf Spiegel.de. Unter dem nicht ganz sachlichen Titel „Gotteskrieger an der Heimatfront“ geht es um sogenannte Tarnkappen-Konvertiten. Ein Sicherheitsexperte befördert dort nun folgendes Paradox: „Es gibt heute schon Konvertiten, die ihre Konversion nicht mehr öffentlich machen, um getarnt zu sein“. Der „Experte“ Hussein kann sich natürlich auf Quellen aus dem islamistischen Umfeld berufen. „Sie essen Schweinefleisch, sie gehen in Kirchen, sie haben Freundinnen. Niemand weiß, wer sie sind, bis sie zuschlagen.“ Also Vorsicht, wenn Ihr Tischnachbar Deutscher ist, er könnte ein Tankappen-Konvertit sein!